: Eigentor der griechischen Linken?
■ Im entscheidenden Wahlgang der griechischen Komunalwahlen unterstützen die Kommunisten ungewollt die Konservativene
Aus Athen Georg Schwarz
„Apolitische Kommunalwahlen“ hatte sich noch vor zwei Wochen die Athener Regierung gewünscht. Es gehe um die „lokale Selbstverwaltung“, nicht um Regierungspolitik, meldete der sozialistische Premierminister Andreas Papandreou. In der zweiten und zugleich entscheidenden Runde aber ist die Wahl der Gemeinderäte inzwischen in höchstem Maße „politisch“ geworden: den Anstoß gab dazu am vergangenen Mittwoch ein wagemutiger Schachzug der Kommunisten: das Zentralkomitee der Moskau–orientierten Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) hatte einstimmig beschlossen, ihre Anhänger in Athen nach „freiem Gewissen“ wählen zu lassen, anstatt zur Unterstützung des sozialistischen Kandidaten Dimitris Baeis aufzurufen. Damit hätte Baeis kaum Chancen, wiedergewählt zu werden. Bei der ersten Runde vom letzten Sonntag war er mit nur 29,1 Prozent bereits weit hinter seinem konservativen Gegner Miltiadis Evert (44,5 Prozent) zurückgeblieben. Der Schritt der Kommunisten freute zunächst alle Athener Parteien mit Ausnahme der Sozialisten. Für die Konservativen ist die Möglichkeit zum ersten Mal in greifbarer Nähe, Herren über die „erste Gemeinde des Landes mit dem größten politischen Gewicht“ (KKE) zu werden. Die Linke sprach gar von ihrer „politischen Emanzipation“. Der Schritt wirkte landesweit wie ein Katalysator in der linken Bewegung: Funktionäre der Eurokommunisten riefen ihre Mitglieder auf, dem Beispiel ihrer Moskau–orientierten Genossen zu folgen, und weiter links angesiedelte Gruppierungen erklärten öffentlich, der Kandidat der Sozialisten sei keine Alternative zu dem der Konservativen. Der Beschluß der Kommunisten offenbarte deutlicher denn je die unterschwellig gärende Krise der griechischen Linken. Sie bezichtigen die sozialistische Regierung einer unverhohlenen Machtgier, die hauptsächlich im Beharren auf das heute geltende Wahlsystem Ausdruck findet. Vom Prinzip „zusammen im Kampf, geteilt bei der Machtausübung“ hatte nun die Linke genug, sie wollte nicht mehr mitmachen. Als man jedoch realisierte, daß die Stimmverweigerung für die Sozialisten indirekt ein „Ja“ für den Konservativen Miltiades Evert bedeutet, folgte die große Ernüchterung. Selbst die Zeitung der Moskau–orientierten Kommunisten, Rizospastis, rief am Sonntag mit der Schlagzeile „Eine stolze Stimme für die Allianz“ für die Unterstützung der sozialistischen PASOK auf. Und Markos Vafiadis, während des griechischen Bürgerkrieges 1946–1949 Generalstabchef der linken Armee, sowie zahlreiche Partisanenführer warnten, vergangene Fehler nicht zu wiederholen: 1946 hatte die damals stärkste politische Formation, die kommunistische Linke, Stimmenthaltung verordnet und wurde nach dem so forcierten Sieg der Rechten für Jahrzehnte in die Illegalität und ins Abseits gedrängt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen