Das gefährliche Spiel von Minister Enrile

■ Der philippinische Verteidigungsminister droht mit Rücktritt, nachdem Verhandlungen mit der Guerilla wiederaufgenommen wurden

Von Nina Boschmann

Berlin (taz) - Wird er gefeuert, oder tritt er zurück? In diesem Spektrum bewegen sich zur Zeit in der philippinischen Hauptstadt Manila die Gerüchte über die berufliche Zukunft von Verteidigungsminister Juan „Jonny“ Ponce Enrile. Jedem anderen Kabinettsmitglied mit einem ähnlichen Sündenregister in Sachen „mangelnde Fraktionsdisziplin“ wäre wahrscheinlich schon längst nahegelegt worden, seinen Posten zu räumen, doch der Fall des Helden der sogenannten Februarrevolution ist besonders delikat. Er war es , der im Frühjahr dieses Jahres Corazon Aquinos Peoples Power durch die Unterstützung des Militärs erst zur Macht verhalf, aber seine Politik ist es auch, die Friedensverhandlungen mit der linken New Peoples Army Guerilla so schwierig macht.Von Anfang an nicht vom Erfolg der sanften Counterinsurgency–Bemühungen Aquinos überzeugt, ließ Enrile schon während des US–Besuchs der Präsidentin keine Gelegenheit aus, gegen die Gespräche mit den Führern der linken Frontorganisationen zu polemisieren und auf die wachsende Stärke der Guerilla hinzuweisen. Das am 14. August geschlossene lokale Waffenstillstandsabkommen für neun Städte der Insel Mindanao wurde vom Militär kaum eine Woche später durch die Verhaftung vom fünf Guerillakadern gebrochen. Am 29. September, kurz vor Abschluß eines Waffenstillstandsabkommens auf nationaler Ebene, ließ Enrile den langjährigen KP–Führer und Befehlshaber der NPA, Rodolfo Salas, samt Ehefrau und Leibwäch ter im Krankenhaus festnehmen. Begründung: Freies Geleit sei nur den direkten Verhandlungsführern der Frontorganisation NDF, Zumel und Ocampo, zugesichert worden. Wiederholt forderte er Aquino auf, erneut Präsidentschaftswahlen abhalten zu lassen, da sie nach der Auflösung des Marcos–Parlaments und der Außerkraftsetzung der alten Verfassung nicht mehr das Mandat des Volkes besitze. Doch der Konfrontationskurs fruchtete wenig. Unbeirrt legte die mit der Ausarbeitung der neuen Verfassung betraute (und überwiegend mit Konservativliberalen besetzte) Kommission Aquinos Amtszeit auf sechs Jahre fest. Die NDF kritisierte zwar nach der Festnahme Salas die mangelnde Kontrolle der Zivilregierung über das Militär und prognostizierte eine Intensivierung des Bürgerkrieges. Sie hütete sich aber, die Verhandlungen völlig abzubrechen. Im Gegenzug ordnete Aquino die Freilassung von Salas Frau und Leibwächter an. Die Guerilla begriff das Zeichen: Am Freitag trafen lokale Führer mit der Präsidentin auf der Zuckerinsel Panay zusammen, am Samstag fand erneut ein Treffen zwischen den offiziellen Unterhändlern von Regierung und Guerilla statt. Zwar ist bislang keine der beiden Seiten zu inhaltlichen Zugeständnissen bezüglich Niederlegung der Waffen bzw. Machtbeteiligung bereit, aber Beobachter sind sich einig, daß auf den Philippinen seit Jahrzehnten nicht mehr so offen über die politische Zukunft des Landes diskutiert wurde wie heute. Gefährlich genug aus Enriles Sicht, um eine rhetorische Großoffensive in Sachen „Kalter Krieg a la pilipino“ zu starten: Am Montag erklärte er in einer vom Fernsehen übertragenen Rede vor Offizieren und Rekruten: „In unserem Land halten bewaffnete Männer Paraden ab und fordern die Behörden heraus.“ Am Dienstag ließ er provokativ eine Kabinettssitzung aus, um vor einer Versammlung von Zahnärzten über das gleiche Thema zu schwadronieren, am Donnerstag verkündete er, wenn man mit der Guerilla intern nicht zu Rande käme, wäre vielleicht „Unterstützung durch unsere Verbündeten“ (die USA) vonnöten, und am Samstag dachte er erstmals öffentlich über Rücktritt nach, weil er „die sinnlosen Gespräche mit Kommunisten“ nicht länger verantworten wolle. Welche Teile der Militärführung ihm folgen würden, ist noch unklar. Ein gefährliches Spiel.