: Machels Tod nützt Südafrikas Falken
■ Pretorias Militär und die von Südafrika gestützten MNR–Guerillas konnten das Machtvakuum in Maputo zum entscheidenden Schlag gegen das linke Regime nutzen / Südafrikanische Destabilisierungspolitik brachte Mosambik in fatale wirtschaftliche Abhängigkeit von Pretoria
Von Hans Brandt
Johannesburg (taz) - Mit dem Tod von Samora Machel, dem Präsidenten von Mosambik, hat sich einer der heißesten Wünsche der Apartheid–Regierung erfüllt. In dem schon seit zwei Wochen laufenden südafrikanischen Propagandaangriff auf Mosambik wurde immer wieder eine „Regierung der Nationalen Einheit“, als Ideallösung für die Probleme des Frontstaates beschworen - eine Regierung, an der sich sowohl die linke Frelimo–Regierung in Maputo als auch die rechten MNR– Rebellen beteiligen sollten. Implizit galt Samora Machel als wichtigstes Hindernis auf dem Weg zu diesem Ziel, denn der charismatische, angesehene Führer des Landes stellte eine solide Einheitsfigur dar. Und nicht umsonst spekulierte der African National Congress in seiner ersten Stellungnahme zum Tod des mosambikanischen Präsidenten, daß Pretoria oder seine Agenten für Machels Tod verantwortlich seien. Der Nkomati–Vertrag Die Idee einer Koalitionsregierung in Mosambik ist nicht neu. Schon im Oktober 1984, wenige Monate nach der Unterzeichnung des Nichtangriffspaktes von Nkomati zwischen Mosambik und Südafrika, hatten in Pretoria Gespräche zwischen der Frelimo– Regierung und der MNR stattgefunden. Die sogenannte „Erklärung von Pretoria“ wurde vom südafrikanischen Außenminister als erster Schritt auf dem Weg zu einem Waffenstillstand und einer Koalitionsregierung interpretiert. Doch es blieb bei der schriftlichen Erklärung. Vor Ort änderte sich nichts. Und so ist nach wie vor nicht sicher, ob Pretoria sich tatsächlich eine Koalitionsregierung wünscht. Zunächst schien die südafrikanische Außenpolitik eher auf eine zwar linke, aber schwache und sonst berechenbare Regierung in Mosambik zu setzen. Das jedenfalls war wohl der Sinn des Nkomati–Vertrages. Dennoch gab es unter den Machthabenden Pretorias ständig Meinungsverschiedenheiten über die richtige Politik gegenüber Mosambik, und die einflußreichen Militärs waren nur schwer vom Nutzen des Nkomati– Vertrages zu überzeugen. Zwar erreichte der Vertrag für Süd afrika, daß durch die Ausweisung der ANC–Guerillas aus Mosambik die Zahl der Angriffe im Lande zurückging. Doch das Militär unterstützte weiterhin die MNR, die ihre zerstörerischen Angriffe auf mosambikanische Dörfer und Transportverbindungen fortsetzte. Verräterische Tagebücher Den Beweis dafür lieferten die Tagebücher eines führenden MNR–Mitglieds, die im August 1985 im Hauptquartier der MNR gefunden wurden, nachdem dieses von simbabwischen und mosambikanischen Soldaten erobert wurde. Aus den Tagebüchern ging hervor, daß Südafrika weiter Waffen geliefert hatte und daß selbst der damalige stellvertretende Außenminister, Louis Nel, das Hauptquartier besucht hatte. In dem Tagebuch wurde auch von einer Botschaft des damaligen obersten Generals der Wehrmacht, General Constand Viljoen, berichtet. Er bat um Verständnis für die „Schwierigkeiten, die wir süd afrikanischen Soldaten mit unseren Politikern haben“. Damit war wohl vor allem das Außenministerium gemeint. Es ist also zu erwarten, daß auch in den nächsten Tagen widersprüchliche Wünsche in Pretorias Schaltzentralen vorgetragen werden. Für MNR und südafrikanisches Militär wäre jetzt der ideale Zeitpunkt zum entscheidenden Angriff, eventuell auf die Hauptstadt Maputo, zu blasen. Doch es fragt sich, ob es wirklich im Interesse Südafrikas wäre, wenn die Frelimo in den Busch gezwungen würde, um den bewaffneten Guerillakampf gegen eine MNR–Regierung aufnehmen. Geisel im Sanktionskrieg Wie auch immer das Ringen ausgehen mag, Mosambik wird die durch die südafrikanische Destabilisierungspolitik herbeigeführte wirtschaftliche Abhängigkeit von Südafrika um so schwerer abschütteln können. Wie umfassend diese Abhängigkeit ist, zeigte sich erst vor kurzem, als Pretoria die Repatriierung mosambikanischer Wanderarbeiter anordnete. Mit dieser schwerwiegenden Maßnahme sollte Machels Regierung offensichtlich geschwächt werden. Vielleicht hatte Pretoria auch gehofft, wie durch die Blockade von Lesotho Anfang des Jahres eine Spaltung in der Regierung hervorzurufen. Von Spaltungen innerhalb der Frelimo gibt es bisher allerdings keine Anzeichen. Dennoch bleibt Mosambik zusammen mit den anderen schwarzafrikanischen Staaten des südlichen Afrika eine wichtige Geisel im Sanktionskrieg. Darüber kann Pretoria sich nur freuen. Denn seit der US–Kongreß Anfang Oktober Sanktionen gegen Südafrika verhängt hat, sind die Spannungen im südlichen Afrika erheblich gewachsen. Zusammen mit dem Sanktionsbeschluß gab Washington bekannt, daß die USA sich an der Aufbesserung des sogenannten Beira–Korridors beteiligen würden. Zur Zeit ist diese wichtige Bahn–, Straßen– und Pipelineverbindung zwischen Simbabwe und dem Hafen von Beira in Mosambik nur sporadisch zu benutzen, obwohl etwa 10.000 simbabwische Soldaten ihn bewachen. Die zuverlässige Inbetriebnahme des Beira–Korridors würde die Abhängigkeit der schwarzafrikanischen Staaten von südafrikanischen Transportwegen schlagartig reduzieren. Der Tod von Samora Machel macht das jedoch sehr viel schwieriger.
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