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Atomwaffenfreier Korridor

■ SPD und SED legen gemeinsamen Abrüstungsvorschlag vor: Ein 200 km breiter Streifen durch Mitteleuropa soll atomwaffenfrei werden / Schritt zur „strukturellen Nichtangriffsfähigkeit“

Bonn (dpa) - Die oppositionelle SPD und die DDR–Regierungspartei SED haben am Dienstag Grundsätze für die Einrichtung eines atomwaffenfreien Korridors entlang der Grenze der Bundesrepublik zur DDR und zur CSSR vorgelegt.Der Text wurde von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe beider Parteien erarbeitet, die unter Leitung von SPD–Präsidiumsmitglied Egon Bahr und SED–Politbüromitglied Hermann Axen stand. SPD und SED regen an, alle Atomwaffen aus einem Gebiet von jeweils 150 Kilometer Breite diesseits und jenseits der Blockgrenze abzuziehen. Die Seiten dieses somit 300 Kilometer breiten Streifens würden etwa entlang der Li nie Cuxhaven, Bielefeld, Mannheim, München im Westen und Stralsund, Berlin, Wittenberg, Dresden im Osten verlaufen. Der Verlauf in der Tschechoslowakei müßte noch festgelegt werden. Abzuziehen wären alle Trägersysteme zum Einsatz von nuklearer Munition und diese Munition selbst. Darüber hinaus sollen dem Vorschlag entsprechend alle Waffensysteme entfernt werden, die sowohl für konventionelle als auch für atomare Sprengköpfe geeignet sind, und zwar Artillerie, Flugzeuge und Raketen. Bahr und Axen wiesen vor Journalisten in Bonn darauf hin, daß damit ein erster Schritt auch auf konventionellem Gebiet gegangen würde. Die von SPD und SED vorgeschlagenen „Grundsätze“ gehen von einer ständigen internationalen Kontrolle aus. Bahr betonte, der Vorschlag von SPD und SED fülle eine Lücke, da über die atomaren Gefechtsfeldwaffen und Kurzstreckenraketen bislang noch nicht verhandelt werde. Das seien aber die Atomwaffen, „die uns als erste treffen würden“. Der SPD–Abrüstungsexperte hob hervor, insgesamt hätte dieser Vorschlag bedeutende Folgen für die Struktur der Streitkräfte auf beiden Seiten. Hier werde der von der SPD verwendete Begriff „strukturelle Nichtangriffsfähigkeit“ konkret. Bundesregierung und Vertreter der Koalitionsparteien haben prompt und erwartungsgemäß ablehnend auf die Vorschläge reagiert.

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