: I N T E R V I E W Kein Gegenstück zu dem Buch von Aust
■ Piet Bakker Schut, Autor von „Stammheim“, kam über seine Verteidigertätigkeit dazu, das Buch zu schreiben
taz: Was hat Sie dazu gebracht dieses Buch zu schreiben? Bakker Schut: 1974 bin ich durch Zufall in Kontakt mit bundesdeutschen Anwälten gekommen, die Leute aus der RAF verteidigten. Ich habe dann in Holland auch einen Mandanten gehab, der beschuldigt wurde, RAF–Mitglied zu sein. Mir wurde schnell klar, daß der im Mai 75 eröffnete Prozeß in Stammheim die Richtung für alles künftige weisen würde. Die Universität Utrecht, bei der ich Dozent war, hat mich dafür für längere Zeit freigestellt. Sie haben ja auch RAF–Angehörige verteidigt, waren Anwalt in dem Auslieferungsverfahren gegen Knut Folkerts. Haben Sie dort ähnliche Erfahrungen machen müssen wie Ihre westdeutschen Kollegen? Wurden Sie öffentlich angegriffen und denunziert? Nein, es gab zwar ein paar Attacken von niederländischen rechten Wochenzeitungen, aber das waren wirklich Rechte. Ansonsten war es im Vergleich zu den westdeutschen Vorgängen harmlos. Die Entwicklung hin zur RAF im Vorfeld des Prozesses spielt in Ihrem Buch nur am Rande eine Rolle. Ja, die Entwicklung der RAF an sich war auch nicht mein Thema. Das zu schreiben wäre zwar schön gewesen, lag aber nicht in meinen Möglichkeiten: ich habe die Entwicklung im Vorfeld nicht mitgemacht. Ein Buch über diese Geschichte könnte wohl nur die RAF selber schreiben. Es gibt ja ein Buch über dieses Kapitel, das Buch „Baader– Meinhof– Gruppe“ von Aust . Verstehen Sie Ihr Buch als Ergänzung oder als Gegenstück dazu? Nein. Die beiden Bücher haben nichts miteinander zu tun. Als das Aust–Buch heraus kam, war meines schon fertig. Es ist später herausgekommen, weil es ja übersetzt werden mußte. Aber das Aust–Buch ist ein unpolitisches Buch, ein schlechter Krimi, ohne jede Möglichkeit, irgendetwas nachzuprüfen oder kontrollieren zu können. Im Gegensatz zu Aust, der die Selbstmordthese mit seinem Buch ja indirekt stützt, legen Sie nahe, daß in Stammheim Ulrike Meinhof, Jan Carl Raspe, Andreas Baader und Gudrun Ensslin ermordet wurden. Ja. Wissenschaftlich beweisbar ist das nicht. Aber nachgewiesen werden konnte, daß in beiden Fällen die politische Konstellation für Mord vorhanden war und daß gleichzeitig soviele ungeklärte Fakten da sind, daß es für mich auch keine Frage ist, daß das Mord war.
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