piwik no script img

Mosambik: Das Ende einer Ära?

■ Vergangenen Dienstag wurde Präsident Samora Machel in Maputo beerdigt / Das unabhängige Mosambik hat mit seinem Tod eine entscheidende Symbolfigur verloren / Die Nachfolge ist noch unklar

„Löwen des Waldes“ pflegte der vorgestern zu Grabe getragene Präsident Mosambiks, Samora Machel, seine Soldaten in Erinnerung an die Befreiungskriege gegen die portugiesische Kolonialmacht zu nennen. Der frühere Guerillakämpfer und einigende Führer der mosambikanischen Befreiungsorganisationen hatte eine poetische Ader. „Der Urwald war unsere Schule“, rief er seinen Truppen zu, „in den Liedern der Vögel erkannten wir die Worte der Freiheit.“ Die schönen Ansprachen konnten jedoch nicht über die traurige Situation in dem an Südafrika grenzenden, total verarmten sozialistischen Staat hinwegtäuschen. Seit Jahren schon sind Hunderttausende von Menschen von Hungersnöten bedroht, verursacht durch Mißwirtschaft, Dürre und Sabotageangriffe der von Südafrika unterstützten MNR–Guerilla. Der Tod des Präsidenten, der einigenden Kraft zwischen den widerstreitenden Fraktionen innerhalb der Regierung, wird die Krise in der früheren portugiesischen Kolonie weiter zuspitzen - eine Entwicklung, die ganz im Interesse des Apartheidregimes in Südafrika und der Rebellen liegt. Selbst die in den letzten Jahren von Machel durchgesetzte pragmatische Öffnung gegenüber dem Westen änderte nichts an der Bedrohung durch Südafrika. Der sozialistische Nachbar ist als schwächstes Glied in der Kette der Frontstaaten der strategische Ansatzpunkt zur Destabilisierung der Gegner des Apartheidregimes im südlichen Afrika. Machel hinterläßt ein schwieriges Erbe: Die gegen den Widerstand der Moskaufreundlichen FRELIMO–Parteikader unter Führung des bisherigen Vizepräsidenten Dos Santos durchgesetzte teilweise Öffnung Mosambiks gegenüber dem Westen hat nicht den erhofften Aufschwung des Landes gebracht. Zu halbherzig und schleppend kam die Hilfe aus den westlichen Ländern. Vor allem die BRD verhielt sich sehr zurückhaltend. Doch auch die fehlende Infrastruktur erschwerte sinnvolle Hilfestellungen. Wegen des offensichtlichen Mißerfolges des unter Machel begonnenen Kurses halten Beobachter in Mosambik einen erneuten Richtungswechsel für möglich. Eine Rückkehr zu einem Entwicklungsweg sowjetischer Ausrichtung, wie er schon einmal nach der Unabhängigkeit 1975 eingeschlagen wurde, ist jedoch nicht zu erwarten. Zu stark sind die Erinnerungen an die katastrophalen Auswirkungen des Versuchs, die von der portugiesischen Kolonialmacht übernommenen Großplantagen nach sowjetischem Vorbild zu industrialisieren. Ein Kurswechsel hätte mangels materieller Möglichkeiten eher längerfristige Auswirkungen auf die Entwicklungspolitik, die seit 1984 die Unterstützung der bäuerlichen Kleinbetriebe und des Kleinhandwerks propagiert. In der Außenpolitik, vor allem gegenüber Südafrika, werden ebenfalls keine substantiellen Änderungen erwartet. Eine Entscheidung über die Nachfolgeschaft des beliebten Präsidenten wird erst in ein bis zwei Monaten erwartet. Neben dem eher moskaufreundlichen Dos Santos werden der bisherige Außenminister Joaquim Chissano und der unscheinbare Premierminister Mario Machungo als Kandidaten gehandelt. Beide unterstützen den von Machel eingeleiteten Kurs der Öffnung gegenüber dem Westen. Machels Regierung der FRELIMO–Staatspartei hatte nach der Übernahme des Landes von den Portugiesen mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nachdem die „Front für die Befreiung Mosambiks“ die Portugiesen in einem zehnjährigen Guerillakrieg besiegt hatte, wurde sie mit der Leitung eines der unterentwickelsten Länder Afrikas konfrontiert. Portugal, von der Weltbank selbst als Entwicklungsland eingestuft, hielt unter der faschistischen Militärjunta unter General Kaetano verzweifelt an seiner Kolonie fest. War früher vor allem der Sklavenhandel lukrativ gewesen, so wurden in diesem Jahrhundert die Devisen, die die schwarzen Gastarbeiter in Südafrika und Rhodesien verdienten, zur primären Einnahmequelle. Noch heute sind die rund 70.000 mosambikanischen Minenarbeiter in Südafrika die wichtigste Einnahmequelle der FRELIMO–Regierung. Zwangsarbeit und eine systematische Zerstörung der Subsistenzbasis charakterisierten die portugiesische Kolonialpolitik. Monokulturen und jahrzehntelanger Raubbau führten zu Bodenverschlechterung und zur Zerstörung kleinbäuerlicher Produktionsstrukturen. Hunderttausende von Mosambikanern blieb nur die Flucht ins Ausland. Nach der Unabhängigkeit war Mosambik ständigen Angriffen aus Südafrika und Rhodesien, und später von den in den Anfangsjahren mehrheitlich aus Exil–Portugiesen bestehenden MNR–Guerillas ausgesetzt. Heute sind die Guerillos von einst selbst von den Rebellen sehr bedrängt. 1976 vom rhodesischen Geheimdienst und Mitarbeitern der PIDE, der ehemaligen berüchtigten portugiesischen Polizei gegründet, stützte sie sich anfangs auf scharze Soldaten und geflüchtete portugiesische Händler, die sich nicht geschlagen geben wollten. Die politische Führung der MNR sitzt in Cascais bei Lissabon, dem Badeort der Rechten und Reichen. Dort knüpften sie Verbindungen zu den rechten Parteien Europas, unter anderem zur CSU. Mit Vorliebe sprengen sie die für die Frontstaaten wichtigen Verkehrsvervindungen. Letzten Meldungen zufolge sollen sie den Norden Mosambiks kontrollieren, wie ehemals die FRELIMO–Kämpfer vor der Erringung der Unabhängigkeit. Michael Fischer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen