: I N T E R V I E W „Manch einer ist rassistisch...“
■ Doris Bouneira, Vorsitzende vom Verein „Kinderschutz International“
taz: Von Behörden hört man immer wieder, daß sie keine wirksamen Mittel haben, um eine Kindesentziehung zu verhindern. Doris Bouneira: Das stimmt nicht. Ich habe festgestellt, daß die einzige Lösung des Problems in der Prävention liegt. Und wenn man alle Möglichkeiten der Gesetzgebung ausschöpft und wirklich von der Maxime ausgeht, daß Kindeswohl vor Elternrecht geht, dann kann man fast alle Entführungen verhindern. Die wichtigste Rolle spielen dabei die Gerichte. Bei absoluter Gefahr können sie die Besuchsregelung ausschließen. Sie können aber auch eine Regelung anordnen, daß die Kinder ihre Väter nur in Gegenwart Dritter treffen dürfen. Wenn sie eine freiere Regelung zulassen, können die Richter verfügen, daß die Grenzschutzdirektion Koblenz benachrichtigt wird und Vater oder Mutter und Kind in das Inpol–System eingespeist werden. Eine weitere Möglichkeit, um dem Argument zu begegnen, daß unter Kontrolle kein richtiger Kontakt zum Vater zustande kommt, ist die Vorabvollstreckung des ergangenen deutschen Urteils, also die Anerkennung durch das Ausland. Wenn dann wirklich ein Kind dorthin gebracht würde, müßte die ausländische Behörde zu ihrem bzw. zu dem anerkannten deutschen Urteil stehen. Ist der Richter nicht bereit, diese Formel ins Urteil aufzunehmen, dann kann der Vater auch von sich aus das Sorgerecht der Mutter anerkennen und das wiederum bei seinem Heimatgericht für sein Land verbindlich festmachen. Immerhin will er ja angeblich im Interesse des Kindes handeln. Bisher betrachten ausländische Ehepartner die Bundesrepublik oder West–Berlin als Selbstbedienungsläden in Bezug auf Kinder. Auf Flughäfen fragt z.B. niemand danach, ob ein Kind einen Paß hat oder nicht. Er reist nur mit Geburtsurkunde aus. Im Ausland versteht man überhaupt nicht, warum wir nicht besser auf unsere Kinder aufpassen. Wie erklären Sie sich, daß Jugendämter oder Gerichte die von Ihnen genannten Möglichkeiten meist gar nicht erst ansprechen? Das beruht auf Informationsmängeln. Man muß das Bewußtsein über dieses Problem mehr verbreiten. Dann funktioniert das nach dem Schneeballsystem: Wenn der Richter richtig reagiert, tun das auch die Jugendämter und auch die Polizei. Aber einer muß damit anfangen, und bis jetzt herrscht auch ein unheimlicher Mangel an Zivilcourage. Es fällt einem Richter sehr viel leichter, eine unbequeme, aber positive Entscheidung zu treffen, wenn schon eine solche Entscheidung vorliegt. Es gibt allerdings auch persönliche Gründe für das Unverständnis bei Gerichten. Manch ein Richter ist ein bißchen rassistisch und muß das im allgemeinen verstecken. Damit kann er die Frauen dennoch dafür strafen, daß sie „national“ fremdgegangen sind. Das Interview führte Gitti Henschel
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