piwik no script img

Mit Rambo gegen den Rausch

■ 92.000 Unterschriften für die Legalisierung von Marihuana in den USA / Stallone als Zugpferd einer Anti–Drogen–Kampagne

Von David Albrecht

Kein geringerer als Rambo–Darsteller Stallone unterstützt mit der Kraft seiner Statur seit vergangener Woche die Anti–Drogen– Kreuzzügler in den USA. Gerade rechtzeitig, bevor US–Bürger in einigen Bundesstaaten die Gelegenheit haben, bei den heutigen Wahlen auch darüber abzustimmen, ob Anbau und Besitz von Marihuana in Zukunft legal sein sollen, konnte die berüchtigte Teamster–Gewerkschaft den Muskelprotz als Sprecher gegen die Drogen gewinnen. Der 300 Pfund schwere Führer der Trucker–Gewerkschaft, Jackie Presser, dem neben Kontakten zur Mafia auch andere dunkle Geschäfte nachgesagt werden, übergab dem Schauspieler, der 1978 in dem Film „F.I.S.T.“, „Faust“, einen Gewerkschaftsboß der Trucker mimte, am vergangenen Dienstag in Los Angeles eine goldene Ehrenmitgliedschaftskarte. Die unheilige Allianz will vor allem solchen Initiativen das Handwerk legen, die z.B. in Oregon, dem nördlich von Kalifor nien gelegenen Bundesstaat, vor den Wahlen Unterschriftenkampagnen zur Legalisierung von Marihuana organisiert haben. Die dortige Initiative sammelte bisher 92.000 Unterschriften - genug, um ein Volksbegehren für ihr Ziel durchzusetzen. Portland, die einzige Großstadt in Oregon, ist eine Stadt der YUPPIES (Young Urban Professional People): Ernst blickende, geschniegelte, gottesfürchtige junge Geschäftsleute hasten durch die Straßen. Propere junge Menschen mit dem passenden Deodorant und abgeschlossener Ausbildung arbeiten unverdrossen in den klimatisierten Büros der Hochhäuser. Daneben gibt es natürlich jede Menge Leute, die im Kampf ums Glück resigniert haben und zu Pennern wurden; Familien, die nicht wissen, wie sie ihre Mietschulden bezahlen sollen; Rentner, die in Mülltonnen stöbern. Der rechtsgerichtete Oregonian, die Tageszeitung von Portland, berichtet über Probleme mit dem Baby–Strich, den Kampf ge gen Trunkenheit am Steuer, Todesfälle durch Arzneimittel und - last not least - die Marihuana– Razzien der Sheriffs. Schätzungsweise 50 Millionen Amerikaner haben schon einmal gekifft, tun es des öfteren oder gewohnheitsmäßig. Aber wer auch nur eine Pflanze anbaut, kann nach dem Gesetz mit bis zu 20 Jahren Haft und 100.000 Dollar Geldstrafe belangt werden, obendrein kann Landbesitz samt Haus beschlagnahmt werden. Arbeitgeber verlangen neuerdings häufig Urintests, um ihre Belegschaft nötigenfalls „auszudünnen“. Von der „Reefer“–Madness, der wahnhaften Jagd auf die Freunde des Marihuanas, fühlen sich nun auch Leute bedroht, die keinen Joint zwischen die Lippen bringen würden. Mittlerweile gibt es in 20 Bundesstaaten der USA Initiativen für die Legalisierung von Marihuana, die in der NORML (National Organization for the Reform of Marihuana Laws) zusammengeschlossen sind. Im Sommer trafen sie sich im Portland Hilton Hotel, um gemeinsame Stategien zu beraten. „Jeden Augenblick kann irgendein rotnasiger, zigarettenrauchender Alkoholiker in eure Wohnung eindringen und euch samt Familie ins Gefängnis schleifen, nur weil ihr Marihuana besitzt!“ - so schilderte Sandee Burbank von der Gruppe MAMA (Mothers against Misuse and Abuse) die Situation. Und die schwergewichtige Hausfrau im Rüschenkleid fuhr fort: „Die Einstiegsdroge ist nicht Marihuana, sondern Tabak. Etwa 350.000 Amerikaner sterben jährlich an den Folgen von Tabak, und der Staat erhebt auch noch Steuern für diese Sucht. Todesfälle durch Marihuana sind nicht bekannt, aber wer es raucht, wird verfolgt. Sollten wir etwa die Tabak– und Alkoholindustrie über unsere Gewohnheiten bestimmen lassen?“ MAMA war ursprünglich gegen jede Art von Drogen, einschließlich Kaffee und Tee. Mütter, die vor Jahren MAMA gründeten, fanden bald, daß die legalen Drogen erheblich gefährlicher seien als das illegale Marihuana. Mit der konnte man schon leben, wenn nicht die Kinder in der Schule über die Rauchgewohnheiten ihrer Eltern verhört würden, nicht von den Kanzeln der Kirchen in ganz Oregon gewettert würde. „Wer Marihuana legalisieren will, wird auch Heroin und Kokain legalisieren wollen“, argumentiert z.B. Rodney Page, Direktor der ökumenischen Kirchenorganisation von Oregon. Aber nicht nur aus der Sorge, verfolgt zu werden oder um der Gerechtigkeit willen kamen die Leute zu dieser Konferenz, die Sache hat auch ihre ökonomische Seite. Allein in Portland gibt es drei Läden, die 1.000 Watt–Halogenlampen, Reflektoren, Hydrokultur– Einrichtungen und Kohlendioxid– Gasflaschen verkaufen. Einer dieser Läden ist „Hydro–Tech“, und die Firma hatte natürlich ihren eigenen Stand im Hilton. Der Firmenchef Jeffery de Marco begrüßte jeden Besucher persönlich in seiner Hilton–Suite. Freundlich erklärte ein Techniker die ringsum aufgebauten „Phototron“– Treibhäuser, Girls in kurzen Röckchen versorgten die Gäste mit Drinks und Kuchen, die Atmosphäre war entspannt, der Umsatz gab ausreichend Anlaß: 3.000 „Phototrons“ habe er in drei Jahren verkauft, wußte de Marco zu berichten, von Alaska bis Saudi– Arabien. Der Hauptgrund für Mr. de Marcos Optimismus wird in den Diskussionen über die Marihuana–Legalisierung meistens vernachlässigt, obwohl er besonders wichtig ist. Im „Phototron“ wird nämlich der THC–Gehalt der Pflanzen (also das, was high macht) konstant gehalten. Für den Joint, der aus diesem Marihuana gerollt wird, könnte man also „Werte“ angeben, ähnlich den Schadstoffwerten nach DIN bei Zigaretten. Das, so sagt de Marco, wird die Voraussetzung für die Legalisierung sein. Die Gesetzgeber, Richter und Sheriffs interessiert nicht die Bewußtseinserweiterung, sondern sie betrachten Marihuana wie Bier oder Whisky. Wenn man also ab einer Promille Alkohol im Blut in Oregon als „Drunken Driver“ gilt, dann werden die Gesetzgeber ähnliche Werte für Marihuana festlegen wollen. Ab dem - sagen wir - siebten Zug aus dem Standard–Joint (produziert im „Phototron“–Treibhaus) wäre es dann für einen Genießer von bestimmtem Körpergewicht verboten, Auto zu fahren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen