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Der „neue Bremer Energieweg“

■ Ökologisch orientierter „Energiebeirat“ mit Dieter von Ehrenstein und Klaus Traube soll Stromversorgung ohne AKW–Strom konzipieren / „Entscheidend ist die praktische Anwendung dieser Konzepte ...“

Aus Bremen Klaus Wolschner

Im Juni fand in der Kantine der Bremer Stadtwerke eine merkwürdige Oppositionsveranstaltung statt. Am Tisch saßen u.a. der Atomkritiker Klaus Traube, Jürgen Franke vom Ökoinstitut und der ÖTV–Vertreter Willipinski, Peter Willers von den Grünen. Für die Debatte zum Thema „Energiewirtschaft in Bremen“ war die Landeszentrale für politische Bildung als unscheinbarer Veranstalter gewonnen worden. Das Problem: Zwar ist das Bundesland zu klein für eigene AKW–Standorte gewesen, der norddeutsche Atomstrom–Gigant NWK versuchte aber nach Bremen einzudringen, sich mit 20 % Anteilen bei den Stadtwerken einzukaufen und den Ersatz veralteter Stromerzeugungs–Kapazitäten zu verhindern. Die „Fachaufsicht“ bei der Wirtschaftsbehörde war mit von der Partie, der Finanzsenator spekulierte auf 100 Millionen aus dem Aktienpaket für den Bremer Haushalt. Der frühere Bürgermeister Koschnick mit Aufsichtsratsposten bei der NWK hatte mündlich schon sondiert, ob nicht für einen Einstieg der NWK in Bremen und für den Verzicht Bremens auf seine Forderung nach Kühltürmen für das die Weser belastende AKW Esenshamm (Betreiber: NWK) ein guter Preis für den Atomstrom erzielt werden könnte. Das Geschäft war perfekt, ein teures Gutachten der renommierten Wirtschafts–Beratungs–AG WIBERA untermauerte es sachverständig. Die Opposition führte die ÖTV an, die um Arbeitsplätze in Bremer Kraftwerksbauten kämpfte. Ökologisch denkende Sozialdemokraten verbanden die ÖTV–Interessen mit Alternativ–Vorschlägen, und die Grünen rangen sich von ihrer ursprünglichen Position „Kein Kraftwerksneubau“ auf einen Kompromiß mit der ÖTV durch. Im Dezember 1985 lag das Dumping–Angebot der NWK - die inzwischen in die Preußen– Elektra (PreAG) übergegangen ist - bei 8 Pfennig pro Kilowatt (Erzeugerpreis bei neueren AKWs: 14–18 Pfennig/KW). Der Widerstand in der in Bremen allein regierenden SPD war damit angesichts der leeren Landeskassen beiseite gedrückt. In dieser Woche hat nun die damalige „Opposition“ in Bremen offiziell die „Macht“ in der Energie–Politik übernommen. Beinahe beiläufig gab der Senat bekannt, ein „Energiebeirat“ habe seine Arbeit aufgenommen. Vorsitzende sind die Atom– Kritiker und Uni–Profs D. von Ehrenstein und C. Noack, Mitglieder sind u.a. Klaus Traube, der frühere Berliner Umweltsenator Rainer Überhorst und etwa Peter Hennicke, der Mitarbeiter des Freiburger Öko–Instituts und des grünen Hessischen Umweltministeriums. Der Beirat soll, so steht es in der entsprechenden Senatsvorlage, ein Konzept erarbeiten, wie die Energieversorgung im Lande Bremen „weitgehend unabhängig vom Strom aus Kernkraftwerken sicherzustellen“ ist. In den Wochen nach Tschernobyl nämlich war die Bremer Entscheidung zugunsten der PreAG und des Atomstroms gekippt worden. Die nun eingesetzte Kommission soll alle Konsequenzen aus dieser Entscheidung erarbeiten: sie soll die Bedarfsprognosen überprüfen und von Gaswärmepumpen, kleinen Heizkraftwerken und regenerierbaren Energiequellen bis hin zu Verbraucherberatung oder „Abbau von verbrauchstreibenden Tarifen“ alle Möglichkeiten zusammentragen, eine „Wende“ in der Energiepolitik herbeizuführen. Der Beirat, der Forschungsaufträge vergibt und einmal im Monat ganztägig tagt, soll gleichzeitig durch Öffentlichkeitsarbeit und „kreative Zusammenarbeit mit den Medien“ die politische Umsetzung seiner Alternativ–Vorschläge vorbereiten und überregionale „Initiativen zur Unterstützung des neuen Bremer Energieweges“ einleiten. Die Bremer SPD rühmt sich seit Jahren ihrer anti–Atomkraft–Position, konnte sich nur gegenüber den „Sachzwängen“ der abgeschotteten und geschickt mit den Atomstrom–Giganten abgestimmten Konzepte aus der eigenen Wirtschaftsverwaltung nicht durchsetzen. Der jetzt eingesetzte Energie– Beirat entmachtet also ganz offenkundig die bisherigen „Experten“ auch aus der Landesregierung, zum ersten Mal ist ein deutlich ökologisch orientierter Kreis von Wissenschaftlern verantwortlich für die Konzipierung der Energiepolitik eines Bundeslandes. Und insbesondere auch der Beirats–Vorsitzende von Ehrenstein, der schon in der nach der Wende 1982 aufgelösten Enquete–Kommission des Bundes gesessen hat, legt Wert auf praktische Resultate der Konzeptionsarbeit. „Entscheidend ist die praktische Anwendung dieser Konzepte..“, heißt es in seiner Tischvorlage für die konstituierende Sitzung am 31.10. Dem Bremer Senat sollten öffentlich „ausdiskutierte und praktisch durchführbare Empfehlungen und Vorschläge“ gemacht werden.

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