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Plauderstündchen mit Kurt Waldheim

■ Im Umfeld der KSZE wurde erstmals die internationale Isolierung Waldheims durchbrochen

Aus Wien Reinhard Engel

Der KSZE–Prozeß dürfe nicht auf staatlicher Ebene aufhören, auch die einzelnen Bürger der europäischen Staaten müßten davon etwas haben, ließ der österreichische Kanzler Franz Vanitzky die Delegierten in seiner Eröffnungsrede wissen. Woran er bei diesen Sätzen kaum gedacht haben dürfte: Ausgerechnet ein Bürger seines Landes profitierte am direktesten und am persönlichsten von der Konferenz: Kurt Waldheim. In einem wahren Besuchsreigen meldeten sich europäische Außenminister in der Wiener Präsidentschaftskanzlei zu Plauderstündchen an und durchbrachen damit erstmals die internationale Isolation, in die das umstrittene Staatsoberhaupt seit seiner Wahl hingeraten war. Edward Schewardnaze machte den An fang, und das nur wenige Tage, nachdem wieder einmal eine mögliche Beeinflussung Waldheims durch östliche Geheimdienste wegen seiner Kriegsvergangenheit durch die Pressespalten gegeistert war. Dem sowjetischen Minister folgten dann seine Kollegen aus Italien, der Tschechoslowakei, aus Zypern, der Schweiz, und schließlich noch Hans–Dietrich Genscher, der nach seiner Blitzvisite im Bundestag anläßlich des Kohlausrutschers noch einmal nach Wien zurückgefahren war. Seine internationale Isolierung wurde von Waldheim stets energisch dementiert. Er habe sich in seinem ersten Amtsjahr lediglich innenpolitischen Problemen widmen wollen, lautete seine Standardverteidigung. Dennoch war schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt offensichtlich geworden, daß er in etlichen Ländern nicht gerade so beliebt war wie die Wiener Sängerknaben oder die Lipizzaner. Ein bereits geplanter Besuch in Irland mußte wegen eines Proteststurms in der irischen Presse wieder abgesagt werden. Die Niederländer wollten den Herrenreiter nicht bei ihrer Dammeröffnung haben, obwohl zahlreiche Österreicher an dem Projekt mitgearbeitet hatten. Knapp vor der KSZE–Konferenz hatte sich die internationale „Kampein“ noch weiter zugespitzt: das State Department ließ in Wien anfragen, ob ein Empfang durch den Präsidenten geplant sei. In diesem Fall könnte George Shultz leider nicht nach Wien kommen. Ähnlich stellten die Kanadier und die Luxemburger als Bedingung für ihre Teilnahme in Wien, daß es auch zu keinem zufälligen Zusammentreffen kommen dürfe.

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