Wie sieht der Streik der Zukunft aus?

■ Diskussionsrunde der Arbeitsgemeinschaft Grüne und Gewerkschafter/innen in Köln / Statt Flächenstreiks neue Form des Schachbrettstreiks / Flexibilisierung der Arbeitszeit bei der Post weit vorangeschritten / Arbeitszeitverkürzung gefordert

Aus Köln Carola Schewe

„Besetzungen, Boykotts, Sabotage“ - solche Aktionsformen müßten in Zukunft die alte Form des Streiks ersetzen und ergänzen. Diese Meinung jedenfalls vertrat Prof. Elmar Altvater auf dem „Forum des Streiks - Streik der Zukunft“, das von der Arbeitsgemeinschaft Grüne und Gewerkschafter/innen in Köln veranstaltet wurde. An anderthalb Tagen (14./15.11.) stritten etwa 300 aktive Gewerkschafter/innen darüber, welche Gefahren dem gewerkschaftlichen Arbeitskampf drohen, ob die Beschäftigten im Frühjahr zu mobilisieren seien und wofür und welche Mittel überhaupt noch einsetzbar sind. Anlaß für die Veranstaltung waren neben der Novellierung des § 116 AFG die Metall–Tarifverhandlungen, die im Frühjahr anstehen, sowie der grüne Gesetzentwurf zum Verbot der Aussperrung. Seit 1984 schmort er im Ausschuß, blockiert auch von der SPD, die sich nicht mit den Arbeitgebern anlegen will. Auf dem Podium der Eröffnungsveranstaltung bekräftigten die eingeladenen Größen (Altvater, Trampert von der Grünen Bundestagsfraktion, Jakob Moneta von der IG Metall, Detlef Hensche von der Drupa), daß gerade in heutigen Zeiten, wo das Streikrecht legal beschnitten würde, die Solidarität aller mit den Streikenden nötig sei: Die Gewerkschaften brauchten die sozialen Bewegungen. „Und zu denen haben die Grünen bisher einen besseren Draht“, so Jakob Moneta. In Arbeitskreisen konnte das fachkundige Publikum - in der Mehrzahl Betriebsräte/innen und Vertrauensleute - seine Erfahrungen austauschen und nach neuen Strategien suchen. „Flä chenstreiks sind bei der IG Metall heute nicht mehr möglich“, so faßte Manfred Müller den Diskussionsprozeß seiner Arbeitsgruppe zusammen. Also „im Betrieb verbleiben“, wie es Detlef Hensche ausdrückte? Die Praktiker/innen, vor allem jene aus dem Metall–Bereich wollten dieses Mittel nur im Einzelfall angewandt sehen. Stattdessen könnte etwa nach flächendeckenden Urabstimmungen in Form von Schachbrettstreiks agiert werden; denkbar wären auch herabgesetzte Streikgelder. „Die Streikfähigkeit der Gewerkschaften sieht nicht so günstig aus“, formulierte ein Teilnehmer. Im Bereich der Postgewerkschaft etwa werden inzwischen fast nur noch Beamte eingestellt. Folge: Streikfähig sind nur noch Teilzeitkräfte, die Nachtarbeiterinnen, das sehr niedrig bezahlte Personal. Und gerade denen drohe am ehesten Arbeitslosigkeit. Marga Foster, Betriebsrätin der Postgewerkschaft, machte deutlich, daß Flexibilisierung der Arbeitszeit bei der Post längst üblich sei: da hätte jede Arbeiterin ihre individuelle Arbeitszeit, oft unter der Versicherungsgrenze. Da brechen die kollektiven Strukturen langsam entzwei. Die Arbeitsgruppe „Flexibilisierung“ war sich denn auch einig in ihrer vehementen Ablehnung der Arbeitszeitflexibilisierung: die bedeute fast immer Anpassung an Unternehmerwünsche. Trotz dem fanden viele - an dieser AG nahmen ausnahmsweise viele Frauen teil - die Idee spannend: gerade Frauen wollen sich auf Kindergartenöffnungszeiten und den Lebensrhythmus anderer einstellen können. Auch dürfe man die Arbeitnehmer/innen nicht als Unmündige behandeln; wer mehr Freizeit habe, entwickele auch mehr Bedürfnisse; darauf müßten die Gewerkschaften eingehen. Entscheidend sei aber, was die Leute mit ihrer Zeit anfingen: Wenn die Arbeiterin den freien Tag dazu benutzt, endlich mal Fenster zu putzen, dann ändere das an der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung gar nichts. Ingrid Kurz–Scherf vom Wissenschaftlichen Institut des DGB forderte den 7–Stunden–Tag, der von hohen Funktionären anscheinend aber schon abgeschrieben ist. Nur tägliche Arbeitszeitverkürzung würde der Gesundheit und den Doppelbelasteten etwas nützen. Die Diskussion kann auf einem anderen Grünen Forum (“Flexibel in die Armut“ am 6./7.12. in Duisburg) vertieft werden. Das wird dann wohl mehr eine „Frauenveranstaltung“, wie es die Einladerin Sieglinde Friess ausdrückte.