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New Yorker Cops proben den Aufstand

■ Bummelstreik reißt Millionen–Loch in Bußgeldkasse / Anti–Korruptionskampagne scheiterte vorläufig an Polizei–Solidarität mit Kollegen, die der Drogendealerei angeklagt sind / Showdown zwischen Polizeipräsident und Polizeigewerkschaft

„Slowdown - Showdown“ titelte das New Yorker Boulevardblatt Daily News und fragte die Bürger, ob die jetzt besorgt seien. Grund für die Aufregung: die 28.000 New Yorker Streifenpolizisten gingen ihrem Tagewerk nur noch unvollständig nach. In der letzten Woche wurden kaum noch Tickets für geringfügige Gesetzesverletzungen ausgestellt. Manche Cops sollen sogar dann weggeguckt haben, wenns an der Ecke krachte. Die Stadtkasse büßte etwa zwei Millionen Dollar an nicht ausgestellten Knöllchen ein. „Jetzt wirds aber gefährlich“, wetterte Polizeipräsident Benjamin Ward. „Eine Polizei, die ihrer Arbeit nicht vollständig nachgeht, ist so gut wie gar keine Polizei.“ Die Stadtverwaltung drohte den säumigen Cops mit der Anwendung des „Taylor Gesetzes“, das Streiks von städtischen Angestellten verbietet. Der für jähzornige Tiraden bekannte Präsident der größten Polizeigewerkschaft „Patrolmens Benevolent Association“ (PBA), Phil Caruso, posaunte zwar: „Jetzt herrscht Krieg“. Offiziell aber dementierte der Gewerkschaftsboß, daß seine Truppe ir gendwas mit dem Bummelstreik zu tun habe. Verständlich aber sei der Streik. „Wir sind doch keine Roboter. Wir haben Gefühle. Wir haben Bedürfnisse, die machen uns kaputt.“ Gemeint ist Polizeipräsident Benjamin Ward, der Schwarze, der dem überwiegend italo– und irisch–amerikanischen Heer von City–Sheriffs seit zweieinhalb Jahren präsidiert. Ward hatte eine bei den Cops, die sich gerne als „New Yorks Finest“ feiern lassen, höchst unpopuläre Maßnahme verabschiedet: ab Montag sollte rotiert werden, stadtweit sollten etwa 230 Beamte ihr angestammtes Revier verlassen. Das wäre nur der erste Schritt in Wards „Anti–Korruptionsprogramm“ gewesen. Künftig sollen regelmäßig 20 Prozent aller Cops ausgetauscht werden, so daß jedes Polizeirevier innerhalb von fünf Jahren mit einer völlig neuen Mannschaft besetzt ist. Den betroffenen Cops kam das wie eine „Strafversetzung“ vor. „Ein Revier wird doch zum zweiten Zuhause, mit Freundschaften, Beziehungen, mit Vertrauen“, sagt ein Cop. Das Kräftemessen mit dem Polizeipräsidenten am Rande des Bummelstreiks nimmt in der Tat die Züge eines „Showdowns“ an. Phil Caruso fand den Ward– Plan „völlig paranoid“ und forderte den Rücktritt des Polizeipräsidenten, dessen „Geisteszustand“ davon zeuge, daß er „nicht in der Lage“ sei, „Entscheidungen zu treffen.“ Ward konterte: „Also, ich geh ganz sicher nicht. Ich renn nicht davon. Ich werd mich doch nicht auf die Seite rollen und tot spielen.“ Trotzdem wurde unter dem Druck der mächtigen Cop–Gewerkschaft die Zwangsrotation Ende letzter Woche zunächst aufgeschoben. Angefangen hatte die Geschichte mit dem Tod eines Cop, der in einem der heruntergekommensten Viertel von New York „gedient“ hatte, dem überwiegend von Schwarzen bewohnten Ghetto Bedford Styvesant im Stadtbezirk Brooklyn. Gedealt hatte ORegan auch. Zusammen mit zwölf Cop–Kollegen vom 77igsten Revier beschlagnahmte er die neue Wunder–Droge Crack von den Dealern des Distrikts, um sie eine Straßenecke weiter mit Aufschlag zu verhökern. Er brach ein, stahl, verkaufte Waffen und assistierte beim Klau von zwei Reviermülltonnen. So jedenfalls behauptet es die Staatsanwaltschaft, die gegen die „Schwarze Dreizehn“ vom 77igsten Revier in insgesamt 250 Punkten Anklage erhoben hat. Selbstverständlich haben die vom Dienst suspendierten überlebenden zwölf Cops allesamt ihr „unschuldig“ beteuert. Es war immer schon etwas besonderes, Cop in New York zu sein. Vor zwölf Jahren mußte die „Knapp–Commission“ gebildet werden, um die Geschäftsverbindungen der feinen Truppe mit dem organisierten Verbrechen bloßzulegen und kaltzustellen. Damals schafften zahlreiche Cops auf den Gehaltslisten der Mafia zusätzlich an. „Heute sind Drogen das größte Problem für die Integrität der Truppe“ stellte Benjamin Ward fest. Deshalb sieht sein heiß umkämpftes Anti–Korruptions–Programm auch vor, Drogen–Straffällige „genauer zu vernehmen“ - über Hintermänner in Cop– Kreisen. Immer wieder haben die ethnischen Minoritäten im 7,5–Millionen–Pulverfaß New York der überwiegend italo– und irisch–amerikanischen Polizeitruppe „Rassismus“ vorgeworfen. Vor einem knappen Jahr wurde die Besetzung eines Polizeireviers in Queens total ausgetauscht, nachdem bekannt geworden war, daß die Cops dort handbetriebene Elektroschock–Geräte zur Erpressung von Aussagen angeblicher dunkelhäutiger Drogen–Dealer benutzten. Ute Büsing

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