: Bochumer Heusner–Viertel abgerissen
■ 36 Besetzer wurden vorübergehend festgenommen / 300 Polizisten riegelten das Viertel ab / Bagger begannen mit dem Abriß der Häuser / Autonome besetzten SPD–Zentrale in Düsseldorf / Die Polizei rechnet mit abendlichen Demonstrationen in der Innenstadt
Aus Bochum Petra Bornhöft
Lange geplant, doch letztendlich überraschend begann gestern vormittag in Bochum der Abriß von elf teilweise noch bewohnten und besetzten Häusern. 36 Personen wurden vorübergehend festge nommen. Nach Angaben der Polizei sollte die Abbruch–Aktion in dem weiträumig abgeriegelten Heusner–Viertel bis heute morgen beendet werden. Aus Protest gegen die Räumung besetzten Autonome am gestrigen Nachmittag die SPD–Zentrale in Düsseldorf. Bereits im Mai 1984 sollten die Häuser fallen, um einem Auffahrtkreuz für die seit zwanzig Jahren geplante Westtangente zu weichen. Besetzung der städtischen Häuser, Prozesse, einstweilige Verfügungen und politische Aktionen zögerten die Straßen bauarbeiten immer wieder hinaus. Gleichwohl konnte nicht verhindert werden, daß Zug um Zug verschiedene Häuser dem Erdboden gleichgemacht wurden. Zuletzt kamen die Bauarbeiten zum Stillstand weil unter der geplanten Trasse Bergschäden ihre Spuren hinterlassen hatten. Da dieses Problem technisch nicht gelöst ist, überraschte der gestern begonnene Abriß viele Bewohner. Ab heute stehen nur noch einige Privathäuser. Ein Anlaß für die Räumung wurde nicht genannt. Fortsetzung auf Seite 2 Die Polizei berief sich mehrfach auf einen städtischen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gegen eine „unbekannte Anzahl von illegalen Besetzern“. 300 Polizeibe amte aus ganz NRW riegelten daraufhin das Heusner–Viertel gestern morgen um sieben Uhr hermetisch ab. Soweit bisher bekannt, wurden von den 36 Festgenommenen zwei Jugendliche, angeblich vermißt Gemeldete, dem Jugendamt „überstellt“, die anderen 34 nach ihrer Vernehmung wieder freigelassen. In ihre früheren Wohnungen durften die Besetzer nicht mehr. Acht Umzugswagen donnerten durch die gespenstische Szenerie. Möbelpacker transportierten die Habe der Bewohner in ein städtisches Lager. Küchengeräte, Matratzen, Kleidungsstücke blieben zurück in den „leeren“ Häusern. Warum, das konnte sich der städtische Pressesprecher nicht erklären. Er bestritt, daß es wie früher schon einmal, eine Anweisung gäbe, wonach nur „Sachen von Wert“ eingelagert werden sollten. Für die Wohnungslosen fühlen die Behörden sich nicht verantwortlich. Die Verhandlungen seien gescheitert, heißt es. „Wohnungen in cumulo“, gemeint sind Räume für Wohngemeinschaften, hätten „sich nicht realsieren lassen“. Im Heusner–Viertel selbst blieb es bis Redaktionsschluß ruhig. Für den Abend rechnete die Polizei mit Demonstrationen in der Innenstadt, „weil man die ja schließlich nicht absperren kann“ wie das Heusner–Viertel. Etwa hundert Beamte sollen jedes Schaufenster bewacht haben. Die früheren Bewohner dagegen überlegten noch, wie sie auf Räumung und Abriß eines der bundesweit letzten besetzten Viertel reagieren sollen. Im Gespräch ist eine Demo am Samstag.
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