: Super–GAU in Krümmel möglich
■ Schleswig–Holsteins Sozialminister bestätigt Existenz von AKW–Gutachen / AKWs Krümmel und Brunsbüttel ohne ausreichende Schutzhüllen / Kernschmelze möglich, Evakuierung von Hamburg ausgeschlossen
Hamburg (taz) - Das schleswig– holsteinische Sozialministerium hat gestern zugeben müssen, daß der TÜV–Norddeutschland zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die Schutzhüllen der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel nach einer Kernschmelze nur zwischen drei und 21 Stunden halten. Die Katastrophenschutzpläne gehen bislang von einer Evakuierungsfrist für die Bevölkerung in einem Radius von zehn Kilometern binnen 48 Stunden aus. Während die zuständige Ministe rin Brockdorff (CDU) in Berlin war, mußte sich am Freitag ihr Staatssekretär Karl Tremel bohrenden Fragen der Journalisten stellen. Wie berichtet, waren im Laufe der Woche Nachrichten von der Existenz des Gutachtens durchgesickert, aber vom Ministerium dementiert worden. Auch am Freitag blieben die Angaben widersprüchlich. Zuerst wurde angegeben, daß es sich lediglich um einen Teil des Gutachtens handelt. Später stellte sich heraus, daß mindestens für das nächste Jahr keine weiteren gutachterlichen Schritte in Kiel geplant sind. Ende 1984 hatte die Landesregierung die Firma „Energiesysteme Nord GmbH“ mit dem Gutachten beauftragt, die möglichen Folgen eines Super–GAUs in den Siedewasserreaktoren der sogenannten „Baulinie 69“ zu untersuchen. Die „Energiesysteme Nord“ delegierte den Auftrag an den TÜV–Norddeutschland. Seit Ende 1985 liegt das Ergebnis vor. Die Landesregierung will erst Ende 1988 über Konsequenzen für den Katastrophenschutz „nachdenken“. Bis dahin soll ein weiteres Gutachten über die Reaktoren in Philipsburg und Isar vorliegen. Für Hamburg erklärte der Staatsrat der Innenbehörde, Werner Hacklmann (SPD), Leiter der Katastrophenabwehr: „Eine Stadt wie Hamburg läßt sich nicht evakuieren - weder in drei, noch in zehn Stunden.“ Krümmel liegt weniger als zehn Kilometer vom Hamburger Stadtgebiet entfernt.
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