: Auch im Gefängnis gelten die Gesetze der Apartheid
■ Der schwarze Journalist Eric Linda und sein weißer Kollege Mike Loewe wurden aufgrund ihres Engagements in der Anti–Apartheidbewegung inhaftiert
Johannesburg (ips) - Auf den ersten Blick haben Eric Linda und Mike Loewe einen ähnlichen Lebenslauf. Beide wuchsen in Port Elizabeth, einer Hafenstadt im Osten der Kap–Provinz, auf. Beide arbeiteten als freie Journalisten, beide waren in Gruppen der Anti–Apartheid–Bewegung engagiert. Bald nach Verhängung des Ausnahmezustands am 12. Juni wurden die beiden Freunde ohne Angabe von Gründen verhaftet, kurz medizinisch untersucht und erkennungsdienstlich behandelt. Doch während dieser Prozedur war es mit den Gemeinsamkeiten plötzlich vorbei: Linda stand in einer Gruppe Mitgefangener mit erhobenen Armen an einer Wand, sein Feund an der gegenüberliegenden. Linda ist schwarz, Loewe hingegen weiß, und in dem Apartheidstaat wird auch in den Gefängnissen strikt nach der Hautfarbe geschieden. Für den schwarzen Journalisten Linda dauerte die Haftzeit insgesamt 95 Tage. Zunächst wurde er in der Polizeistation Algoa Park, außerhalb von Port Elizabeth, festgehalten. Zwei Schlafmatten dienten ihm als Bett, die Decken waren so dünn, daß Linda sich eine langwierige Erkältung zuzog. Seine Mahlzeiten bestanden aus Brot und süßem schwarzen Kaffee, manchmal gab es Maisbrei und Bohnen. Die Sicherheitskräfte versuchten, ihn für Spitzeldienste anzuheuern. Als Anfangsgehalt boten sie ihm umgerechnet 400 DM. Nach zwanzig Tagen wurde Linda in ein anderes Gefängnis verlegt. Hier waren die Bedingungen noch menschenunwürdiger. Mit 36 Mitgefangenen pferchte man Linda in eine schmutzige Zelle, die eigentlich nur für 26 Menschen gebaut worden war. Die Bettstellen waren voller Ungeziefer, das Essen kaum noch als solches zu bezeichnen: hartes Brot, kalter Haferbrei und Kaffee. Die Beschwerden der Häftlinge über die Situation blieben ungehört. Als ein Aufstand losbrach, wurde er mit brutaler Gewalt und unter Einsatz von Hunden niedergeworfen. Viele der Gefangenen landeten in Isolierhaft, ein besonderer Trakt für sogenannte „Unruhestifter“ wurde eingerichtet. Dorthin wurde Linda verfrachtet und war fortan noch unerträglicheren Bedingungen ausgesetzt. Zusammen mit anderen Häftlingen wußte er sich nur noch mit einem Hungerstreik zur Wehr zu setzen. Nach zehn Tagen, viele mußten während der Protestaktion ins Krankenhaus eingeliefert werden, wurde er in die alte Zelle zurückgebracht. Während Linda die Torturen mit anderen Häftlingen teilte, verbrachte sein weißer Freund Loewe die dreimonatige Haftzeit in völliger Isolation. Die Einrichtung seiner Zelle, von den Häftlingen der psychischen Belastung wegen „die Bombe“ genannt, bestand aus zwei dünnen Matten, anstelle eines Bettes, und einer Blechkonserve, die als Toilette diente. Als Loewe sich weigerte, eine Erklärung der Sicherheitspolizei zu unterschreiben, brachten seine Wärter ihn in die Louis le Grange Station, dem nach dem ehemaligen Minister für Recht und Ordnung benannten neuen Polizeihauptquartier von Port–Elizabeth. Er wurde in eine in grellem Orange gestrichene Ziegelsteinzelle gesperrt. Tag und Nacht brannte dort das Licht, zu schwach, um zu lesen, doch hell genug, um den Versuch zu schlafen, zur Qual werden zu lassen. Die Matratze war feucht, die Decken starrten vor Dreck, waschen durfte sich Loewe nur unregelmäßig. Drei Wochen hielt man ihn in dieser Behausung fest. Während dieser Zeit mußte er Folterungen an anderen Gefangenen mitanhören. Zu sehen bekam er Menschen nur, wenn die Beamten ihn zum Verhör in den achten Stock des Gebäudes holten. Neben quälenden Fragen wartete man ihm dort mit dem unmißverständlichen Hinweis auf, seiner Situation doch durch Selbstmord ein Ende zu machen. Nach zwei Wochen Isolationshaft war Loewe psychisch und physisch so geschwächt, daß er glaubte, für immer in dieser Zelle bleiben zu müssen. Jetzt dachte er tatsächlich an Selbstmord und an Selbstverstümmelung. Schließlich begann er einen Hungerstreik. Als er dabei ernsthaft an Asthma erkrankte, kam er zunächst in ein Krankenhaus, anschließend in eine neue Haftzelle mit vier weißen Mitgefangenen. Die südafrikanische Polizei und Vertreter der Gefängnisse haben kürzlich erklärt, die Häftlinge erhielten ausreichend Nahrung, Decken und medizinische Betreuung. Die Haftbedingungen entsprächen den Vorschriften der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Beschwerden könnten jederzeit bei Richtern, Gefängnis– beamten und Polizeidienstleitern vorgebracht werden.
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