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Q U E R S P A L T E Zwei, drei, sieben, acht Tetrachlor–Idiotizid

■ Rheinvergifter endlich entlarvt

Die langen dunkelgrauen Novemberabende bringen den Abgeordneten Christian Lenzer ins Sinnieren. Aufgeschreckt durch Fischobyl, Rhein–GAU und eine ihm „nicht ganz verständliche Häufung von Störfällen“ bei den Chemie– Konzernen ist der CDU–Mann in sich gegangen. Am Totensonntag muß er in seiner Wohnung am Türmchen 1 fündig geworden sein. Er hatte plötzlich „einen schrecklichen Verdacht“. Am Donnerstag konnte er nicht mehr an sich halten und offenbarte der Bild–Zeitung die brisanten Konklusionen seiner Hirnwindungen: „Gleich sechs schwere Störfälle in einem Monat, das kann kein Zufall sein.“ Und Lenzer weiß noch mehr: „Östliche Agenten haben den Auftrag, nicht nur unsere Industrie auszuspionieren, sondern sie auch zu sabotieren.“ Interessant! Widerspruch erhielt Lenzer ausgerechnet vom Verfassungsschutz. Ex–Präsident Herbert (Tiedge) Hellenbroich rät den Ermittlern, endlich „der Frage nachzugehen, ob nicht radikale Umweltfanatiker ihre Hand im Spiel hatten, um die Industrie in Verruf zu bringen“. Hochinteressant! Aber wer denn jetzt: Ostagenten oder Umweltchaoten? Fragen wir die Chemie–Industrie. Doch die erklärte am Donnerstag durch BASF und Hoechst gleichlautend, daß „die jüngste Häufung von Störfällen ausschließlich auf die verstärkte Sensibilisierung der Öffentlichkeit“ zurückzuführen ist und „derartige Zwischenfälle auch früher“ vorgekommen seien. Jetzt wirds langsam unübersichtlich: Ost–Agenten oder Umweltschützer oder alltäglicher Normalfall? Keines von dreien und doch alle drei zusammen. Umweltfanatiker aus dem Osten haben die Chemieindustrie unterwandert und kippen Tag für Tag und manchmal auch mitten in der Nacht heimlich ihr Gift in den armen Rhein rein. Noch Fragen? Manfred Kriener

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