: HDW–Deal bleibt obskur
■ Bundesregierung kennt zwar die an Südafrika gelieferten U–Boot– Pläne nicht, versichert aber, es läge kein Geheimnisverrat vor
Aus Bonn Ursel Sieber
Der Bundesregierung ist angeblich nicht bekannt, welche Konstruktionspläne die Howaldtswerke (HDW) an Südafrika geliefert haben. Das hat die Befragung von Außenminister Genscher, Wirtschaftsminister Bangemann, Kanzleramtsminister Schäuble und Finanz–Staatssekretär Obert gestern vor Bundestagsausschüssen ergeben. Auf die Frage, ob Blaupausen der U–Boote 206, 209 oder aber Pläne, die die „Kampfwertsteigerung“ der 206–Version betreffen, geliefert worden sind, versicherten alle geschlossen, das wüßten sie nicht. Gleichzeitig sehen die befragten Regierungsmitglieder keinen Anlaß, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, sondern halten Ermittlungen durch eine Zollfahndungsbehörde - die Oberfinanzdirektion Kiel befaßt sich mit Ordnungswidrigkeiten - für ausreichend. Auch das Wissen von Staatssekretär Obert reichte, um Notwendigkeit von Ermittlungen wegen Geheimnisverrat zu verneinen. Es seien keine Materialien geliefert worden, die auf Geheimnisverrat hindeuteten, erläuterte der Staatssekretär. SPD und Grüne kommentierten diese offenkundigen Widersprüche gestern als „empörend“ und „unglaublich“. Im Gegensatz zu den Grünen zeigte sich die SPD gestern jedoch immer noch nicht dazu bereit, einen Untersuchungsausschuß einzurichten. Fortsetzung auf Seite 2 Der SPD–Politiker Gansel sagte, die SPD wolle keinen Untersuchungsausschuß, „der im Verdacht steht, wir wollten eine Retourkutsche für die Neue Heimat“. Er äußerte gestern die Vermutung, U–Boot–Pläne der 206–Klasse könnten außerhalb des NATO–Bereichs zur Modernisierung von U–Booten benutzt werden. Hier bewege man sich jedoch noch im Bereich der Spekulation. Die Grünen Schleswig–Holsteins wiesen dagegen konkret auf eine eventuelle militärische Zusammenarbeit zwischen Südafrika und Israel hin: Das illegale Blaupausen–Geschäft könnte durch eine Kooperation mit Israel ergänzt werden, um Südafrika in den Besitz von drei modernisierten U– 206–Booten zu bringen. Neben der Bundesmarine ist nach Aussage der Grünen nur noch Israel im Besitz von 3 U–Booten, die diesem Typ entsprechen. 12 von 18 206–U–Booten der Bundesmarine werden im kommenden Jahr modernisiert; nach Vermutungen der Grünen Schleswig–Holsteins könnten gerade Pläne zur Kampfwertsteigerung von 206–Booten an Südafrika gegangen sein. Südafrika verfügt nach Aussagen von Experten derzeit über keine eigenen Kapazitäten für einen U–Boot–Bau. Israel wiederum ist bemüht, seine drei 206–U–Boote durch größere Kriegsschiffe des Typs 209 zu ersetzen und gleichzeitig eigene Baukapazitäten auf einer Werft in Haifa zu errichten. Die „Kieler Nachrichten“ berichteten in ihrer gestrigen Ausgabe, Israel werde voraussichtlich ein U–Boot vom Typ 209 erhalten, das bei HDW gebaut werden soll. Zwei weitere U–Boote desselben Typs sollten darüberhinaus nach Konstruktionsplänen von IKL in Haifa nachgebaut werden. Dem Bericht zufolge soll sich der Bundessicherheitsrat mit dieser Angelegenheit befaßt und keine Einwände geäußert haben. Bei der Ministerbefragung hat sich erhärtet, daß es zunächst um die Lieferung von kompletten U– Booten ging. Laut Schäuble hat das erste Gespräch zwischen CSU–Chef Strauß und Bundeskanzler Kohl zu diesem Thema im Sommer 84 stattgefunden. „Wenn man den Werften helfen kann, soll man das tun“, habe Kohl dabei erklärt. Außenminister Genscher ist nach seinen eigenen Worten im September 84 und Januar 85 von Kohl auf das Südafrika–Geschäft angesprochen worden. Darüber existieren im Außenministerium Protokollnotizen. Der SPD–Sprecher Verheugen sprach gestern von „Hinweisen“, daß es 1984 zu diesem Thema auch auf „sehr hoher“ Ebene Regierungskontakte zwischen BRD und Südafrika gegeben habe.
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