: Antes bekennt sich zum Berliner Sumpf
■ Ex–Baustadtrat gesteht Bestechlichkeit / Flucht in die Arme der Justiz / Geständnis lenkt Korruptionsverdacht auf den Berliner Senat
Aus Berlin Klaus Hartung
Das erste Auftreten von Antes im Prozeß nach seinem Krankenhausaufenthalt seit Mitte Oktober begann mit einer Sensation. Erst leise und dann mit gefestigter Stimme begann der Charlottenburger Ex–Baustadtrat Antes am 43. Verhandlungstag sein Geständnis vorzulesen. Er gab zu, insgesamt 300.000 DM während seiner Amtszeit von 1981 bis 1984 im Zusammenhang mit Bauprojekten eingenommen zu haben. „Diese Zahlungen“ hätten ihn zwar „niemals veranlaßt, pflichtwidrig zu handeln“, aber „mir war klar, daß Geld in dieser Höhe für meine persönliche Parteiarbeit allein ohne diesen dienstlichen Zusammenhang (mir) nicht zur Verfügung gestellt“ worden wäre. Antes hat inhaltlich den Vorwurf der Bestechlichkeit zugestanden. Im wesentlichen bestätigte Antes, was in dem Prozeß beweiskräftig geworden ist. Seine Mitangeklagten Raffael und Schmidt–Salzmann sind schon wegen der Bestechungsummen von 180.000 DM bzw. 170.000 DM verurteilt worden. Antes gestand jetzt davon 70.000 DM bzw. 80.000 DM. Das eigentlich Sensationelle: Zum ersten Mal bestätigte Antes Zahlungen des Baulöwen Kurt Franke in Höhe von 150.000 DM. Gleichzeitig nannte er aber in diesem Zusammenhang den Bausenator, den Finanzsenator und den Senator für Stadtentwicklung als eigentliche Verhandlungspartner von Franke. „Es gab für Herrn Franke keine Notwendigkeit“ für „Zahlungen an mich“. Antes hat somit die „Frankeliste“ bestätigt. Antes betonte, daß es für Franke „absolut klar war, daß ich als Baustadtrat nicht die entscheidende Stelle war, von der das Wohl und Wehe seiner Projekte abhing“. Neben den Senatoren erwähnte Antes ausdrücklich den Senatsdirektor und Abteilungsleiter im Bausenat und den Charlottenburger Bezirksbürgermeister. Die Staatsanwaltschaft nahm das Geständnis mit Befriedigung auf und werte es als Bestätigung der eigenen Arbeit. Antes habe erkannt, daß er nur dadurch das Strafmaß beeinflußen könne. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar Seite 4 Nach dem Prozeßverlauf mußte Antes mit einer Verurteilung rechnen. Er war in den Rollen des Korruptions–Clowns und des Schwerkranken gescheitert. Das Gericht hatte wie häufig in Terroristenprozessen die Verfahren gegen Mitangeklagte abgetrennt und diese verurteilt. Gegen Antes wurde der - ebenfalls in jenen Prozessen häufig benutzte - § 231a SStPo (selbstverschuldete Verhandlungsunfähigkeit) angewandt. Auch die Haftbeschwerde des blasenkranken Stadtrates wurde vor zehn Tagen (trotz begutachteter „Depressionen“, trotz der Gefahr „pausenloser gesundheitlicher Schädigung“, Anwalt Dr. Studier) abgelehnt. Nach dem Geständnis wird der Prozeß wahrscheinlich am Freitag zu Ende gehen. Auf Vorschlag der Verteidigung wurden alle weiteren Anklagevorwürfe - Untreue und Erpressung - vorläufig eingestellt. Es besteht die Chance, daß Antes nach einer Verurteilung sofort Haftverschonung erhält. Damit geht überraschend ein Prozeß zu Ende, der ständig zu platzen drohte, nicht zuletzt wegen Antes Blase (sein geflügeltes Wort: er habe seine Blase in die Justizgeschichte eingeführt). Mit der Erklärung des Baustadtrates ist zunächst verhindert, daß in diesem Prozeß noch der politische Hintergrund der Korruptionsaffaire zur Sprache kommt. Nicht geklärt wird, warum z.B. der Wuppertaler Schrotthändler Putsch, befreundet mit dem damaligen Innensenator Lummer, bei dem Versuch, 2.008 landeseigene Wohnungen aufzukaufen, ausgerechnet mit Antes über eine Bestechungssumme von fünf Mio. DM verhandelte. Beobachter lesen das Geständnis, insbesondere die deutlichen Hinweise auf die Senatoren, als eine Aufkündigung der Loyalität zum CDU–Milieu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen