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Gewaltenteilung a la Buthelezi

■ Verfassungsreform für die südafrikanische Provinz Natal und das Homeland KwaZulu unter Beschuß / Rechte Weiße befürchten Dominierung durch Schwarze / Anti–Apartheid–Bewegung kritisiert Sonderweg als rassistischen Trick / Trotz Anfeindung gute Chancen auf Verwirklichung nach den Wahlen im Frühjahr

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - „Die Zeit für sichtbare und dynamische Aktionen ist gekommen. Das Land braucht diesen Katalysator.“ Mit derartig euphorischen Schlagzeilen begrüßte im April die konservative Johannesburger Sunday Times den Beginn von Verhandlungen in der Hafenstadt Durban über eine angeblich nichtrassistische gemeinsame Verfassung für die Provinz Natal und das Homeland KwaZulu. Der einzigartige Versuch, für Südafrikas Probleme einen Sonderweg zu finden, geht zurück auf die Initiative von Zulu–Führer Mangosuthu Buthelezi, der in westlichen Hauptstädten als prokapitalistischer, gemäßigter Apartheid–Gegner beliebt ist. Die Verhandlungen, an denen sich unter anderen Wirtschafts– und Kulturverbände, die Zulu– Organisation Inkhata und die liberale Progressiv–Föderale Partei beteiligten, sind als „KwaNatal Indaba“ bekannt, ein Zulu–Wort, das soviel wie Verhandlung oder Kriegsrat bedeutet. Doch nach acht Monaten der Verhandlungen gibt es statt Euphorie nur noch verbissene Durchhalteparolen. Stoffel Botha, der südafrikanische Innenminister und Natal–Führer der regierenden Nationalen Partei (NP), die nur als Beobachterin an den Verhandlungen teilgenommen hatte, hat dem Indaba den Wind aus den Segeln genommen. Anfang Dezember, kaum zwei Tage, nachdem der Verfassungsentwurf für „KwaNatal“ bekannt wurde, schimpfte Botha, daß „die Durchführung dieses Modells zur Dominierung“ (der Schwarzen über die Weißen) führen würde. Verfassungsreform Die Indaba–Verfassung sieht ein regionales Zwei–Kammern– Parlament vor, dessen untere Kammer aus 100 nach dem Verhältniswahlrecht gewählten Abgeordneten besteht. Hier hätten die Zulus mit Sicherheit die Mehrheit. Doch die obere Kammer soll aus 50 Mitgliedern bestehen, von denen jeweils zehn Schwarze, Inder, Buren und Engländer vertreten, während die übrigen zehn Leute sind, die nicht nach Rasse eingeordnet werden wollen. Gesetzesvorschläge müssen von beiden Kammern beschlossen werden. Doch Stoffel Botha und mehrere konservative Gruppen meinen, daß dadurch die Interessen der „Minderheiten“, also der Weißen, nicht geschützt werden können. Außerdem sind sie gegen die vom Indaba verabschiedete Menschenrechtscharta, die sich ihrer Ansicht nach zu sehr auf die Rechte des Einzelnen konzentriert, und nicht genug Schutz für die Rechte von „Gruppen“, also von Weißen, bietet. Nach Stoffel Bothas scharfer Kritik konnten Vertreter linker Oppositionsgruppen andererseits eine gewisse Schadenfreude nicht verstecken. Sie hatten ihre Beteiligung an dem Indaba von Anfang an verweigert. So verurteilte Muntu Myeza, Pressesprecher der Azanischen Volksorganisation (AZAPO), das Festhalten der Indaba–Verfassung an der Einteilung der Wähler nach Rassengruppen. Das sei „eine ausgeklügelte Karikatur des Bantustan–Tricks“, sagte Myeza. Er kritisierte auch den Versuch, mit einer regional begrenzten Verfassung einen Sonderweg gehen zu wollen. „Azania (Südafrika) ist eine einzelne, unzerteilbare Einheit“, sagte Myeza. „Lösungen müssen unter dieser Voraussetzung erarbeitet werden.“ Murphy Morobe, amtierender Pressesprecher der Vereinigten Demokratischen Front (UDF) verurteilte indessen die Tatsache, daß die Indaba–Initiative von führenden weißen und schwarzen Politikern und von Wirtschaftsvertretern ausging. „Dies ist ein kopflastiger und elitärer Lösungsversuch“, sagte Morobe. „Unsere wichtigste Aufgabe liegt vielmehr in der Organisation einer Massenbasis.“ Doch er fügte hinzu: „Man sollte die Möglichkeit nicht unterschätzen, daß Typen wie Buthelezi mit ihrer selbstherrlichen Art der Politik solche sinnlosen Initiativen weiter vorantreiben werden.“ Als Führer des Homelands KwaZulu betont Buthelezi schon seit Jahren die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Natal und KwaZulu. Immerhin besteht das Homeland aus mehr als 40 Landflecken, die allesamt in der Zuckerrohr–Provinz liegen und fast die Hälfte der Oberfläche von Natal ausmachen. Eine „Unabhängigkeit“ von KwaZulu, wie die Apartheid–Politik noch immer vorsieht, wäre hier mehr noch als in anderen Homelands wirtschaftlich unsinnig und auch für die weiße Verwaltung von Natal problematisch. Das ist tatsächlich eine Sondersituation, die für keine andere Provinz und kein an deres Homeland gilt. So hatte schon 1982 eine von Buthelezi geleitete Kommission Vorschläge für eine sowohl administrative als auch politische Zusammenarbeit erarbeitet. Das Indaba ist eine Fortführung dieser Pläne. Dabei hat Buthelezi selbstverständlich seine eigenen Interessen im Kopf. Mit Sicherheit wäre er der Premierminister einer gemeinsamen KwaZulu/Natal–Verwaltung. So könnte er seine Machtbasis über die Zulus hinaus erweitern und eine Struktur schaffen, die ihm erstmals auch politische Werbung unter Weißen erlauben würde. Seine zahlreichen Fans in der weissen Geschäftswelt und die in Natal einflußreiche Zuckerlobby würden das mit Sicherheit begrüßen. Wahlkampfkalkül Andererseits hat Buthelezi mit dem Indaba die Überzeugungskraft seiner gemäßigten Position aufs Spiel gesetzt und sich in dieser Hinsicht von Staatspräsident P.W. Botha und seiner Regierung abhängig gemacht. Denn die Indaba–Verhandlungen werden von vielen als letzte Möglichkeit einer friedlichen, an der Marktwirtschaft orientierten Lösung südafrikanischer Probleme angesehen. Klappt der Indaba–Plan nicht, so steht Buthelezi als Verlierer da, der lediglich den Zusammenbruch der vielgerühmten politischen Mitte, der außerparlamentarischen Allianz zwischen Wirtschaftsführern und gemäßigten schwarzen Führern, demonstriert hat. Davor warnt auch Oscar Dhlomo, Generalsekretär von Inkhata und Buthelezis Vertreter beim Indaba: „Gott helfe Südafrika, denn die Kräfte, die an Verhandlungspolitik und friedliche Veränderung glauben, werden nichts für diesen Glauben vorzeigen können.“ Das birgt aber auch Gefahren für die NP–Regierung. Pretoria versucht schon seit Monaten schwarze Führer für ein eigenes Beratungsgremium, den sogenannten Nationalrat, zu gewinnen. Unter den dafür in Frage kommenden Führern von Marionettenregierungen in den Homelands oder als Kollaborateure verrufenen schwarzen Gemeinderäten ist Buthelezi der einzige, der einem solchen Rat ein Minimum an Glaubwürdigkeit verleihen könnte. Er hat jedoch seine Beteiligung bisher unter anderem von der Freilassung Nelson Mandelas abhängig gemacht. Sollte Chris Heunis, der Minister für Verfassungsentwicklung und -planung und oberster Reformstratege der Regierung, das Indaba ablehnen, so kann er seinen eigenen Nationalrat auch gleich zum Müll werfen. So hat sich Heunis bisher viel zurückhaltender geäußert als sein Kabinettskollege Stoffel Botha. Und der südafrikanische Botschafter in London hat sogar wiederholt betont, daß Pretoria die Pläne für Natal noch lange nicht abgelehnt hat. Dahinter steckt eine kräftige Portion Wahlstrategie. Politische Parteien bereiten sich auf eine Wahl irgendwann 1987 vor. Deshalb hat die NP–Regierung in der Zwischenzeit erstmal alle Reformpläne auf Eis gelegt, um ja keine durch neue Reformen verschreckte weißen Wähler ins Lager der ultrarechten Parteien zu treiben. Während Stoffel Botha also mit scharfer Kritik am Indaba die Weißen beruhigt, versuchen andere Regierungsvertreter mit verstecktem Lob für Buthelezis Ideen Margaret Thatcher zu beruhigen. Indessen sind die Indaba–Strategen fest entschlossen, ihren Plan soweit möglich durchzuführen. Auf ihrem Programm steht als nächstes eine Volksabstimmung in Natal über die Indaba–Verfassung. Für die Durchführung dieses Referendums hatten sie auf Pretorias Zustimmung und Finanzierung gehofft. Die bleibt nun wohl aus. So wollen sie ein Referendum selbst finanzieren. Mit der finanzkräftigen Unterstützung der Wirtschaft sollte das kein Problem sein. Denn die Geschäftsleute, besorgt um ihre Existenz und Profite, wollen gern in Natal einen Präzedenzfall schaffen, der vielleicht nach dem Sturz der Apartheid–Regierung auf ganz Südafrika ausgeweitet werden könnte. Die geplante Volksabstimmung könnte zumindest zeigen, wie viele Weiße Stoffel Bothas Kritik am Indaba unterstützen, wie groß die rechte Opposition gegen die Pläne ist. Denn in Natal hat die NP bisher noch ihre Vormachtstellung unter den Weißen behaupten können, während vor allem in der nördlichen Provinz Transvaal die ultrarechten Parteien immer stärker werden. Linke Gruppen, deren Kritik am Indaba bekannt ist, könnten ihre Kritik allerdings kaum zum Ausdruck bringen - ihre Aktivitäten sind durch den Ausnahmezustand fast vollkommen unterdrückt worden.

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