Die Republik jubelt: Zehn Jahre „Pflasterstrand“

■ In Frankfurt taten sich Politiker unterschiedlich schwer, dem Metropolenmagazin zum Zehnjährigen zu gratulieren / Zeiten und Blätter ändern sich / Gescheiterte Expansion / Auch Sponti–Treff „Batschkapp“ schaffte zehn Jahre.

Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - „Euer Kuß raubte mir die Latte“ - so beglückwünschte Holger Börner die „Pflasterstrand“–Crew. Umweltminister Wallmann, dem auf einem alten Titel des Frankfurter Magazins der heimische Fernsehturm exhibitionistisch aus dem Hosenlatz hing, brachte es nur auf ein läppisches „alles Gute“ und Jutta Ditfurth trauerte um die Bäume, die für das Druckpapier ihr Leben lassen mußten. Wie auch immer: An zehn Jahren Metropolenmagazin „Pflasterstrand“ scheint niemand vorbeizukommen. Dabei hatte 1976 alles ganz harmlos angefangen. Ein mit Seyfried–Comix verunziertes Chaos–Blatt legte sich endlich szenegerecht mit den Mächtigen dieser Welt an. „Wir Spontilinke“ aus der Mainmetropole, alle basisbewegt und kampferprobt, hatten unser „Blatt“. Zugerichtet von einer gutwilligen, dem „genialen Dilettantismus“ verpflichteten Redaktion, gestraft mit dem Weitblick des Herausgebers und von streitsüchtigen Frankfurter Sperrmüll–Politiker/ innen durch Aufmerksamkeit(en) - wie etwa der Beschlagnahmung von Druckplatten der Nummer 21 des Blattes durch „radikale Feministinnen“ wg. „Sexmaniac“ - geadelt, verkörperte der „Pflasterstrand“ die moralischen Komponenten einer „dialektischen Zwangsgemeinschaft“, die sich selbst die Szene nannte. Doch „the times, they are achanging“. Wer heute etwa die Null–Nummer mit der soeben erschienen Jubiläumsnummer vergleicht, der merkt, daß sich in zehn Jahren ganze Welten ändern können. Ob der Pflasterstrand nun diese vielen kleinen Welten nach seinem Gusto mit verändert hat - wie das heute noch immer grüne Fundamentalisten glauben - oder ob er sich den politischen– und kulturellen Veränderungen wetterwendisch (die böswillige Interpretation) oder klug angepaßt hat, sei dahingestellt. Herausgeber Daniel Cohn–Bendit hat es geschafft, seinen „Pflasterstrand“ - wenn auch heute in Geschenkpapier verpackt - über die Runden zu retten. In einer Zeit, in der zahllose andere Stadtmagazine, die vor zwei Jahren noch so aussahen, wie derPflasterstrand vor einem Jahrhundert, schlicht ihr Leben aushauchten, hatte und hat das Frankfurter Magazin bundesweite Bedeutung - trotz der chronisch leeren Redaktionskassen. Der Versuch einer Ausweitung des „Metropolenmagazins“ auf Nordhessen(Kassel) ging dagegen in die Hose und die bundesweiten Expansionsträume von „uns Dany“ mußten - nach den gescheiterten Verhandlungen mit monetär–potenten Großverlagen(Spiegel, Gruner und Jahr) auf Eis gelegt werden. Doch die Republik - so der Herausgeber - sei „reif“ für ein bundesweit vertriebenes Metropolenmagazin: „Die Zeiten der Stadtmagazine sind vorbei. Sie mögen als kulturelle Servicebetriebe ganz amüsant sein, sie sind aber sowohl für den Zeitgeist als auch für eine kritische Öffentlichkeit fast überflüssig.“ Daß neben dem Pflasterstrand noch eine andere „Institution“ der Sponti–Szene der 70er Jahre ihr zehnjähriges Jubiläum feiern konnte, die für die musikkritische Öffentlichkeit noch immer ganz und gar nicht überflüssig ist, beweist, daß Frankfurt - neben Berlin - noch immer einer der Nabel unserer Welt ist. Der „Idiot Ballroom“, die legendäre „Batsch kapp“, in der sich nun schon die Kinder derer „abhotten“, die 1976 verzückt den ersten Punk–Gruppen lauschten, hat sich - im Gegensatz zum Magazin allerdings - „innerlich und äußerlich“ kaum verändert. Doch der musikalische Avantgardismus scheint - im Gegensatz zum politischen - auch noch 1986 seine Marktlücken zu finden, trotz spartanischem Intenieur. Und solange in der „Batschkapp“–Genossenkneipe „Elfer“ noch bis zum Morgengrauen Bier und Äppelwoi fließen, ist Frankfurt - auch für „uns“ - noch nicht verloren. Die taz gratuliert den „Genossinnen und Genossen“ von Pflasterstrand und „Batschkapp“ herzlich. Frankfurt–Berlin - eine Champagner–Front!