Protestkampagnen in Südafrika

■ Trotz Zensur ein Bericht unseres Korrespondenten aus Südafrika / Erfolg bei Kampagne gegen Ausnahmezustand / Bischof Tutu ruft Westen zur Hilfe für inhaftierte Kinder auf

Aus Johannesburg Hans Brandt

Am Dienstag abend zwischen 19 und 21 Uhr war Soweto vollkommen verdunkelt. Nur hier und da leuchtete eine Kerze hinter den Gardinen. Im orangenen Licht der auf hohen Masten angebrachten Scheinwerfer, die als Ersatz für Straßenlaternen dienen, lagen die kleinen „match box houses“ wie tot. Nur wenige Autos und Fußgänger bewegten sich auf den Straßen. Der Beginn der Kampagne „Weihnachten gegen den Ausnahmezustand“, mit der gegen den sechs Monate alten Ausnahmezustand protestiert werden soll, war ein eindrucksvoller Erfolg. Gruppen von Jugendlichen liefen am Dienstag abend durch die Straßen Sowetos und erinnerten die Einwohner an die Einzelheiten der Kampagne. Neben der Verdunkelung, die auch am Heiligabend stattfinden soll, riefen die UDF, der Kongress südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU), der südafrikanische Kirchenrat (SACC) und das nationale Erziehungskrisenkomitee (NECC) in der vergangenen Woche in großen Zeitungsanzeigen dazu auf, in der Zeit vom 16. bis zum 26. Dezember keine Sport– und Musikveranstaltungen abzuhalten. Schwarze sollen in den zehn Tagen in den Townships einkaufen, Kneipen schon um 20 Uhr schließen und bei Gottesdiensten und Versammlungen soll ein Bekenntnis zu einheitlichem Vorgehen gegen Apartheid und Ausnahmezustand verlesen werden. Damit will man der Tausenden gedenken, die infolge des Ausnahmerechts festgenommen wurden. Mit der parallel laufenden Kampagne „Freiheit für die Kinder“ hatten Menschenrechtsgruppen in den letzten Wochen schon auf das Los der mindestens 2.000 inhaftierten Kinder hingewiesen. Diese Kampagne wurde von Desmond Tutu, anglikanischem Erzbischof von Kapstadt und Friedensnobelpreisträger, unterstützt, als er am Mittwoch in New York den Westen aufrief, bei der Freilassung der Kinder zu helfen. Erneut wies Tutu auf die Heuchelei der westlichen Welt hin und sagte, daß es einen Aufschrei im Westen geben würde, wenn weiße Kinder in schwarzafrikanischen Ländern festgehalten würden. In Südafrka kursiert inzwischen trotz Zensur ein Flugblatt, in dem zum Protest aufgerufen wird. Gleichzeitig werden Postkarten mit dem Aufdruck „Free the children“ verteilt, die an den südafrikanischen Staatspräsidenten Botha adressiert sind. Die Organisatoren der Kampagnen „Freiheit für die Kinder“ und „Weihnachten gegen den Ausnahmezustand“ waren erste Opfer erneuter Repressionen, nachdem letzte Woche eine verschärfte Zensur verhängt wurde. Die Bewegungsfreiheit einiger Aktivisten wurden infolge des Ausnahmerechts eingeschränkt, andere wurden verhaftet. Außerdem wurden der vor allem von Schwarzen gelesenen Tageszeitung „Sowetan“ sowie der alternativen Wochenzeitung „Weekly Mail“ verboten, Erklärungen verschiedener, an der Weihnachts–Kampagne beteiligten Organsationen zu veröffentlichen.