: Holzschutz–Hersteller schuldlos
■ Gericht wies Klage gegen Desowag–Bayer zurück / Trotz sachgemäßer Verwendung von Holzschutzchemie mußte eine Familie ihr Haus räumen / Der „Stand der Forschung“ von 1970 sprach für die Chemiefirma
Köln (taz/ap) - Gesundheitsschäden durch Wohngifte werden auch in Zukunft für die verantwortlichen Chemiefirmen ohne rechtliche Folgen bleiben. Das Landgericht Köln wies gestern die Zivilklage einer durch Holzschutzmittel vergifteten Familie aus dem Sauerland kostenpflichtig zurück. Die Familie, die seit 1973 unter anderem Mittel der Firma Desowag–Bayer verstrichen hatte, hatte schwere Gesundheitsschäden erlitten. Da die Chemikalien zusätzlich mit Dioxinen verseucht waren, mußte das ganze Wohnhaus geräumt werden. Die Familie wollte Schadenersatz in Höhe von insgesamt einer Million Mark. Das Landgericht Köln wies die Klage ab und folgte damit der Rechtsauffassung der Chemiefirmen. Danach sind die Verbraucher selbst schuld, wenn sie sich durch die sachgemäße Verwendung von Holzschutzmitteln in Innenräumen vergiftet haben. Nach Ansicht des Gerichts kann den Herstellern jedoch kein schuldhafter Herstellungs– oder Informationsfehler vorgeworfen werden. Die Mittel seien „nach dem damaligen Stand der Technik und Forschung“ hergestellt worden. Ferner habe den Hinweisen auf dem Beipackzettel auch jeder Heimwerker die Gefährlichkeit des Holzschutzmittels entnehmen können. Die Chemische Industrie in der Bundesrepublik hafte nur für schuldhafte Herstellungs– oder Informationsfehler. Eine allgemeine Gefährdungshaftung bestehe jedoch nicht. Die Verbraucherinitiative bezeichnete das Urteil als einen „Freibrief für die Chemieindust rie, die gesundheitsschädliche Produkte zwar verkaufen darf, nicht aber aus ihrer Verantwortung für Schäden herausstehlen könne“. Für die Holzschutzmittelgeschädigten, deren Zahl weit über 1.000 liegt, sei das Urteil ein Schlag ins Gesicht. Da das Landgeric will gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht einlegen. (Aktenzeichen: Landgericht Köln 140/4786) Gerd Billen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen