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Gegen die DGB–“Kabinettspolitik“

■ Internes Diskussionspapier hauptamtlicher DGB–Funktionsträger zum NH–Skandal von express veröffentlicht / DGB–Bundesvorstand spricht von „überflüssigen und unnötigen“ Konflikten

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Als der hessische Finanzminister Hans Krollmann(SPD) in der vergangenen Woche in Wiesbaden den Vertrag zum Erwerb der Neuen Heimat Südwest unterschrieb, sollte mit dieser Signatur auch ein Schlußstrich unter die monatelangen Querelen um die Neue Heimat und den DGB gezogen werden. Zumindest in Hessen. Doch die in Offenbach ansässige Zeitschrift express - ein Organ der undogmatischen Gewerkschaftslinken - sorgte mit der Veröffentlichung eines DGB– internen Diskussionspapiers dafür, daß die Position des DGB– Bundesvorstandes zum NH–Skandal erneut in Frage gestellt wurde. Denn während die DGB–Führung die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zum Thema strikt ablehnt, fordern die Kritiker aus den eigenen Reihen die „schonungslose innerorganisatorische Kritik, um zu retten, was noch zu retten ist, und um Neuanfang zu schaffen, der auf Glaubwürdigkeit gründet“. Die Verfasser des internen Diskussionspapiers - alles hauptamtliche Mitarbeiter/innen der gewerkschaftlichen Bildungs– und Jugendarbeit im DGB - wenden sich gegen die „Kabinettspolitik“ des DGB und fordern die unverzügliche Einrichtung einer Untersuchungskommission, deren personelle Zusammensetzung deutlich machen müsse, daß es den Gewerkschaften um eine selbstkritische Aufarbeitung des gesamten NH–Komplexes gehe. „Dieser Kommission sollten Persönlichkeiten angehören, die in Fragen der Gemeinwirtschaft Kompetenz besitzen und den Gewerkschaften sowohl ideell verbunden sind als auch kritisch gegenüberstehen.“ Darüberhinaus wollen die kritischen Gewerkschafter eine öffentliche Debatte über die Zukunft der verbliebenen „gemeinwirtschaftlichen“ Unternehmen des DGB iniziieren, denn das Konzept der Gemeinwirtschaft müsse grundsätzlich in Frage gestellt werden. Es komme jetzt darauf an, daß nach effektiveren Formen der sozialen Kontrolle über „private und staatliche Zusammenballungen ökonomischer Macht“ gesucht werde: Mitarbeitergesellschaften, Genossenschaften oder kollektive Investivfonds. Im Bundesvorstand des DGB stieß der interne Protest auf „Unverständnis“. In einem Brief an die Redaktion des express vom 16.12.86 erklärten Klaus Westermann (Leiter der Abteilung Jugend) und Hanns Brauser (Leiter der Abteilung Bildung), daß sie die Einrichtung eines „wie auch immer gearteten Untersuchungsausschusses“ weder für angemessen noch für geeignet halten, die notwendige gewerkschaftliche Diskussion weiterzubringen. Diese Position sei inzwischen auch im Bereich Jugend– und Bildungsarbeit Konsens und das Diskussionspapier damit überholt. Mit der Veröffentlichung des internen Diskussionspapiers habe express überflüssige und unnötige Konflikte geschürt und die Gewerkschaften „diskreditiert“. Die Redaktion von express organisiert zur Zeit eine bundesweite Unterschriftenaktion zur Untersuchung der Vorgänge um die Neue Heimat im speziellen und um die gewerkschaftliche Gemeinwirtschaft im allgemeinen.

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