Apfel, Nuß und Bequerel

■ Weihnachtsessen nach Tschernobyl

Frankfurt (taz) - Finger weg von den Weihnachtsmännern - aus Schokolade. Das jedenfalls meinen die Grünen im hessischen Landtag, die jetzt - rechtzeitig vor Weihnachten - Empfehlungen für Essen und Trinken an den Festtagen veröffentlichten. Wie gesagt: Keine Schokolade, denn die ist mit bis zu 42 Bq/kg Cäsium 137 belastet. Wer gar in die Schoko–Produkte aus Milchpulver hineingreifen will - etwa zum Frühstück in den „Nutella“–Topf - der schmiert sich dann bis 170 Bq/Kg aufs Brot. Doch bitte nicht aufs Früchte–Brot, denn Feigen, Haselnüsse und auch Walnüsse sind mit bis zu 393 Bq/Kg (Haselnüsse) belastet, so daß - logischerweise - auch der Nußknacker über Weihnachten in Urlaub fahren darf. Wärmstens ans Herz legen die Grünen den Menschen auf Erden das „Einlegen“ eines vegetarischen Tages, „auch wenn dies ungewohnt sein sollte“. Denn die radioaktive Belastung von Rindfleisch liege noch immer bei 20 Bq/Kg; bei Lammfleisch zeigt das K–Dosimeter gar bis zu 40 Bq/Kg Cäsium an. Und Wild - aber das wissen die Post– Tschernobyl–Gourmets schon seit Monaten - ist „bähhh“ - zumindest für die nächten 30 Jahre. Auch die gemästete polnische Gans fällt selbstverständlich unter den Gabentisch. Weihnachten 1986 liegen bei den bequerelbewußten Verbrauchern also keine Nuß– und Mandelkerne unterm schon vor dem großen Waldsterben gestorbenen Bäumchen im Wohnzimmer. Allenfalls noch Äpfel, doch auch Obst und Gemüse sind nicht frei von Schadstoffen. Stille Hoffnung der Öko–Paxe für die stillen Nächte: Wenn die „selbstbewußten Konsumenten“ tatsächlich beim Einkauf all diese Informationen „nutzen“, die übrigens originär vom hessischen Sozialminister Armin Clauss weitergegeben wurden, dann, ja dann muß auch der post– tschernobyle Schlemmer nicht auf kulinarische Weihnachts– Genüsse verzichten. Frohes Fest! K.–P. Klingelschmitt