Geheimlogen–Führer Pacienza frei

■ Einer der Chefs der P2–Loge kam ohne Kaution frei, weil er angeblich keine Lira besitzt / Höchstzeit der U–haft war abgelaufen, Verfahren noch nicht eröffnet

Aus Rom Werner Raith

Francesco Pazienza, einer der Ober–Macher der kriminellen Geheimloge „Propaganda 2“ (P2) und rechte Hand des Logenmeisters Licio Gelli (derzeit flüchtig), ist in Italien auf wundersame Weise freigekommen - ein halbes Dutzend Gerichte sah sich außerstande, den Mann weiter im Gefängnis zu halten, der laut Anklage eine Hauptrolle im Zusammenbruch der Banco Ambrosiana (eine Milliarde Dollar Schulden) gespielt hatte. Er war auch das Verbindungsglied zwischen einer kriminellen Binnenstruktur des militärischen Geheimdienstes SISMI und der CIA und hatte das berühmte „Billygate“ angezettelt (den Verdacht, daß Präsident Carters Bruder Billy mit Ghadaffi kungele - was Carter die Präsidentschaft gegen Reagan kostete). Auch in den blutigen Terroranschlag Rechtsradikaler auf den Bahnhof von Mailand soll er verwickelt sein. Pazienza mußte die Freiheit gewährt werden, weil die Höchstzeit für Untersuchungshaft abgelaufen und es der Justiz nicht gelungen war, das Verfahren gegen ihn zu beginnen. Normalerweise müssen Häftlinge, die wegen Überschreitens der U–Haft–Höchstdauer freigelassen werden, eine große Kaution hinterlegen; ein Gericht in Mailand und eines in Rom verlangten denn auch umgerechnet 700.000 DM als Sicherheit. Aber Pazienza bewies, was er kann - plötzlich stellte sich heraus, daß der bisher als millionenschwer eingeschätzte Geschäftemacher „keine Lira besitzt“ (so ein Bericht der Finanzpolizei). Und was bei kleinen Linksradikalen und Alltagsverbrechern noch nie passiert war, geschah - die Gerichte sahen Pazienzas Notlage ein und ließen ihn auch so frei, ohne Kaution. Er sitzt nun in Lerici bei La Spezia bei seinen Eltern und soll sich alle paar Tage bei der Polizei melden.