: Befestigte Macht
■ Opposition ohne Chance auf die Mehrheit
Die Eindeutigkeit der politischen Erwartungen für das nächste Jahr hat etwas Beruhigendes. Die von allen erwartete Bestätigung der konservativen Regierungskoalition im Januar geht als festes Kalkül in die politische Zukunftsplanung der Parteien und sozialen Interessengruppen ein. Die politischen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse in der Bundesrepublik sind, knapp fünf Jahre nach dem Sturz der sozialliberalen Koalition, so gefestigt, daß es sogar ein Kanzler Kohl wieder zu reputierlichen demoskopischen Werten bringen kann. Insoweit hat der alte SPD–Stratege Herbert Werhner wieder einmal recht gehabt, als er beim Wechsel 1982 vor der Illusion warnte, hier handele es sich um einen Betriebsunfall, der sich vielleicht bei der nächsten Wahl schon wieder rückgängig machen ließe. Die Oppositionsparteien stehen nun vor der bitteren Erkenntnis, daß alle Skandale dieser Regierung, all ihre gehäuften Unfähigkeiten, all ihre dilettantischen Fehlleistungen - von der Flick–Spenden–Affaire über das Celler Loch bis hin zum Gorbatschow–Goebbels–Vergleich - die Dominanz der konservativen Grundströmung keineswes gebrochen haben. Dabei sah es zu Beginn des Jahres zeitweise ganz anders aus, als der Biedermann Kohl durch das Agieren des grünen Abgeordneten Schily demontiert wurde und sich nur durch einen „black out“ den Anschein von Ehrlichkeit bewahren konnte, als die Gewerkschaften mit ihrer Protestkampagne gegen die Verschlechterung des Streikrechts eine Mehrheit der Bevölk aber damals schon nur als rot–grüne denkbar war. Inzwischen ist klar, daß das Zwischenhoch der Opposition Anfang des Jahres nicht eigener Stärke, sondern der Schwäche der Regierung entsprang. Zwei Ereignisse vor allem sorgten für einen öffentlichen Themenwechsel, der den Umschwung einleitete. Nach Tschernobyl war die Regierung von den für sie unangenehmen Themen § 116 Arbeitsförderungsgesetz, Massenarbeitslosigkeit und Zwei–Drittel–Gesellschaft entlastet. Die Oppositionsparteien andererseits, vor allem die SPD, konnten von Tschernobyl nicht profitieren, weil ihre Ausstiegsalternative weder politisch glaubwürdig noch durchsetzbar war. Das Debakel um die Neue Heimat sorgte schließlich dafür, daß die Sozialdemokraten als politisch und moralisch glaubwürdige Alternative zur derzeitigen Regierung abgemeldet waren. Es ist also schon alles gelaufen, bevor das neue Jahr b in politisch tragfähige Mehrheiten zu verwandeln, wenn es also jemals so etwas wie eine ökologisch–soziale Reformdynamik geben soll, müssen die beiden Oppositionsparteien sich in den nächsten Jahren füreinander bündnisfähig machen und dafür die programmatischen Voraussetzungen schaffen. Martin Kempe
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