: Fahndung nach Kaufhauszündlern
■ Serie von Brandanschlägen auf Hamburger Kaufhäuser ging weiter / Staatsschutz tappt im Dunkeln, vermutet hinter den Anschlägen „Anarchistische Gruppen“ sowie „Zusammenhang mit der Hafenstraße“
Von Kai von Appen
Hamburg (taz) - Die Serie von Brandanschlägen in Hamburger Kaufhäusern und Einzelhandelsgeschäften dauerte auch gestern an. In insgesamt 17 Geschäften sind seit dem Wochenende die Auslagen durch Säurezünder in Flammen aufgegangen. Der Staatsschutz vermutet hinter den Anschlägen eine „Anarchistische Gruppe“ sowie einen „thematischen Zusammenhang mit der Hafenstraße“. Fundierte Erkenntnisse für diese These haben die Verfassungs– und Staatsschützer jedoch nicht. Staatsschutzchef Szameitat: „Im Moment kann man nichts beweisen.“ Ihre „Arbeitshypothese“ entwickelten die Staatsschützer aus Parallelen mit der Demonstration anläßlich der Tötung des Frankfurter Demonstranten Günther Sare durch einen Polizeiwasserwerfer im vergangenen Jahr. Damals war ebenfalls nach einer Demonstration an einem verkaufsoffenen Samstag Feuer in 15 Kaufhäusern ausgebrochen. Für diese Brandanschläge benutzten die Zündler erstmals diese Form der leicht herstellbaren Säurezünder, die aus einem mit einer grünlichgelben Chlorat–Mischung gefüllten Filmdöschen besteht, in das ein mit einer Folie verschlossenes Fläschen Schwefelsäure gelegt wird. Je nach Beschaffenheit der Folie ätzt sich die Schwefelsäure mehr oder minder schnell durch und löst in der Chlorat–Mischung eine chemische Reaktion aus, die eine Stichflamme entstehen läßt. Auf diese Weise entstand in den letzten Tagen in Hamburgs Kaufhäusern Millionen Mark Sachschaden. Szameitat: „Sie waren gerichtet auf Sachschaden, nicht auf Personenschäden.“ Obwohl die Fahnder nach eigenen Angaben bislang nicht den geringsten Hinweis auf die Zündler haben, versuchen die Staatsschützer dennoch immer wieder einen Zusammenhang mit „militanten Anarchisten“ sowie mit der Demonstration von 12.000 Menschen zur Solidarität mit der Hafenstraße herzustellen, bei der es bekanntlich zu schweren Übergriffen von Polizei auf Demonstranten gekommen war. Der Staatsschutz mußte allerdings einräumen, daß es sich anders als im Fall Sare nicht um eine „Bestrafungsaktion“ handeln könnte, sondern vielmehr um eine von langer Hand vorbereitete Brandserie. „Diese Gruppen mit ungeklärter Motivation hätten in diesem Jahr genügend Anläße gehabt“, meinte der Staatsschutzchef. Die GAL–Abgeordnete Ulla Jelpke hat sich inzwischen von den Brandanschlägen distanziert. Die GAL–Abgeordnete: „Wer Panik in der Bevölkerung erzeugt, überschreitet den Rahmen legitimer Widerstandsformen.“
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