Konflikt zwischen Tschad und Libyen eskaliert

■ Die tschadische Armee griff die von libyschen Truppen im Nordwesten des Tschad seit drei Jahren besetzte Palmenoase Fada nach Radio NDjamenas meldet Rückeroberung / Tschad baut offenbar auf französische Unterstützung / Paris schließt Intervention noch aus

Aus Abidjan Knut Pedersen

Einheiten der regulären Streitkräfte des Tschad haben nach amtlichen Angaben aus der Hauptstadt NDjamena am Freitag eine Offensive gegen die von Libyen kontrollierte Ortschaft Fada im Nordosten des Tschad eröffnet. Einem von Radio Tschad verbreiteten Militärkommunique zufolge begannen die Kämpfe am frühen Morgen und hielten den ganzen Vormittag über mit „außerordentlicher Heftigkeit“ an. Der Rundfunk unterbrach für diese Meldung, die in Französisch, Arabisch und in der Landessprache Sara verbreitet wurde, sein normales Programm. Die Streitkräfte Tschads seien „entschlossen, die Soldateska Gaddhafis ohne Mitleid zu vernichten.“ Neue Front Der Angriff auf Fada von Seiten der regulären tschadischen Armee öffnet eine zweite Front nördlich des 16. Breitengrades, der seit dem Eingreifen französischer Truppen im August 1983 de facto als Demarkationslinie zwischen dem von Libyen besetzten Norden und dem von Hissein Habre kontrollierten Süden fungiert. Am Mittwoch abend hatte die tschadische Regierung zum ersten Mal seit dem Beginn der Schlacht ums Tibestigebirge, im äußersten Nordosten des Landes, das Eingreifen regulärer Truppen bestätigt, die sich nunmehr gemeinsam mit den Toubou–Guerillas Gukuni Weddeyes gegen die „libyschen Agressoren“ schlagen. Im vergangenen Oktober war es zwischen Gukuni Weddeye, dem langjährigen Präsidenten der oppositionellen nationalen Übergangsregierung (Gunt), und seinen libyschen Verbündeten zum Bruch gekommen. Seither ist die Kontrolle des seit drei Jahren von Libyen und den Truppen des „Gunt“–besetzen tschadischen Nordens umstritten, und ein libysches Expeditionskorps von schätzungsweise 2.000 Soldaten versucht seit drei Wochen, das Stammland Gukuni Weddeyes, das Felsmassiv des Tibesti–Gebirges im äußersten Nordwesten des Tschad, militärisch zu unterwer fen. Bis zum Angriff auf die sehr viel weiter im Osten gelegene Palmenoase Fada wurden die heftigsten Kämpfe aus der Gegend um Zouar, unweit der Grenze zu Niger, gemeldet. Vergangenen Sonntag war es einer libyschen Panzerkolonne gelungen, Zouar zu erobern, aber von NDjamena ausgesandte reguläre Truppen konnten die Soldaten der „Volksarmee“ Gukuni Weddeyes aus ihrer Bedrängnis befreien. Nach Angaben des tschadischen Radios ist Zouar seit Donnerstag erneut unter tschadischer Kontrolle. Die libysche Luftwaffe, der die tschadische Armee nichts entgegenzusetzen hat, bombadiert allerdings die in einer engen Talschlucht gelegene Oase. Militärische Beobachter gehen davon aus, daß Hissein Habre mit dem Angriff auf Fada die Rückeroberung des gesamten, von Libyen besetzten Nordens begonnen hat und versucht, durch die Vervielfältigung militärischer Schauplätze die Übermacht der libyschen Luftwaffe zu relativieren. Unter rein militärischen Gesichtspunkten ist es allerdings fraglich, ob die tschadischen Truppen aus eigener Kraft ein Gebiet zurückerobern können, das flächenmäßig zweimal größer ist als die Bundesrepublik. Sollte Hissein Habre tatsächlich entschlossen sein, den seit drei Jahren von Libyen besetzten tschadischen Norden militärisch zurückzuerobern - und alle Anzeichen deuten heute darauf hin - dann ohne Zweifel in der Annahme, die mit einem „fait accompli“ konfrontierte französische Regierung könne seinem Regime den militärischen Beistand nicht verweigern - eine riskante Annahme, weil sowohl der gaullistische Premierminister Jacques Chirac als auch Frankreichs sozialistischer Präsident Francois Mitterrand ein direktes Eingreifen französischer Truppen nördlich des 16. Breitengrades kategorisch ausgeschlossen haben. Ob sich diese Position - vor allem angesichts zu erwartender libyscher Bombenangriffe - auf Dauer halten läßt, ist allerdings fraglich, unter dem Druck seiner eigenen öffentlichen Meinung und angesichts der „Sicherheitsgarantien“, die es ein ums andere Mal den afrikanischen Verbündeten zu beweisen gilt, wird Frankreich sich vielleicht einmal mehr den Stiefel des „Gendarmen in Afrika“ anziehen.