Demokratische Militärs in Spanien rehabilitiert

■ Seit Jahresbeginn können die unter Franco ausgeschlossenen Offiziere der UMD ihre Rückkehr ins Heer beantragen / Das Gesetz stieß auf Unwillen hoher Offiziere / Die sozialistische Regierung versucht mit Modernisierungsplänen für das Heer den Reaktionären den Wind aus den Segeln zu nehmen

Von Chris Heinemann

Zwei Monate Zeit haben die neun spanischen Militärs nun, bis Ende Februar, um ihre Reintregation in das spanische Heer zu beantragen. Die Offiziere, ein Major und acht Hauptleute, waren 1976 von einem spanischen Militärgericht wegen angeblicher Anstiftung zu militärischer Rebellion zu hohen Freiheitsstrafen und zum Ausschluß aus der Armee verurteilt worden. Ihr eigentliches Delikt war die Zugehörigkeit zu der Geheimorganisation Union Militar Democratica UMD, die eine Demokratisierung der spanischen Gesellschaft anstrebte. Durch die Amnestie 1977 waren ihnen ihre Gefängnisstrafen erlassen worden, doch eine volle Rehabilitierung gab es damals nicht. Jetzt erst hat es eine spanische Regierung gewagt, die demokratischen Militärs zu rehabilitieren. In den letzten Jahren des Franco–Regimes hatte in den spanischen Streitkräften immer mehr Offiziere für eine Demokratisierung der Gesellschaft Stellung bezogen. 1974 entstand die Union Militar Democratica (UMD), der ideologische Nähe zu einer Gruppe linker Christdemokraten nachgesagt wurde. Sie hatte etwa 300 aktive Mitglieder. Zu ihrem Umfeld gehörten zeitweilig rund tausend Offiziere und Unteroffiziere aus Armee und militarisierten Polizeieinheiten, knapp zehn Prozent des gesamten Offiziers korps. Um der Verfolgung durch die Behörden Francos zu entgehen, bedienten sich die demokratischen Offiziere verdeckter Organisationsstrukturen. Historisch knüpften sie damit an eine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende spanische Tradition an, als sic Caetano–Diktatur gestürzt hatte. Die Verunsicherung über die Ereignisse im Nachbarland und das Erstarken der demokratischen Opposition in Spanien trieb den seit Sommer 1974 unheilbar erkrankten Franco noch einmal zur Verschärfung der Repression. Da die spanische Armee fast vierzig Jahre lang als die Stütze des Regimes fungiert hatte, war sie ein entscheidender Schauplatz des Ringens zwischen den demokratischen Kräften und der als „Bunker“ titulierten alten Garde Francos. Am 29. Juli 1975, in den frühen Morgenstunden, wurden in Madrid und Pontevedra sieben Offiziere in ihren Privatwohnungen festgenommen. Vier Tage später folgte die Verhaftung von zwei weiteren Militärs. Zu den gesellschaftspolitischen Zielen der demokratischen Militärs gehörten damals neben der Wiederherstellung der Menschen– und Bürgerrechte ökonomische und soziale Reformen sowie demokratische Wahlen und die Ausarbeitung einer freiheitlichen Verfassung. Ihre militärischen Vorschläge reichten von der Reorganisation der Streitkräfte bis zur demokratischen Erneuerung der Militärgesetzgebung. Als Mittel zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen empfahlen sie passiven Widerstand gegen Umsturzversuche der antidemokratischen Rechten. Erst zehn Jahre nach der Verurteilung der neuen demokratischen Offiziere beschloß am 31. Oktober 1986 das sozialistische Kabinett unter Ministerpräsident Gonzalez einen Gesetzentwurf zu ihrer Rehabilitierung. Das Gesetz, das am 31. Dezember inkraft trat, sieht die Wiederaufnahme der neun in die Armee vor, und zwar mit dem ihnen bei normaler Beförderung zustehenden Dienstgrad. Ablehnung der UMD durch die Militärs Im Parlament hatten von der Opposition die Zentristen, Christdemokraten, konservativen Katalanen und die Vereinigte Linke Zustimmung signalisiert. Nur die größte Oppositionspartei, die rechte Alianza Popular, hatte sich eher zurückhaltend geäußert, da sie auf ihr großes Wählerpotential unter Militärs Rücksicht nehmen muß. Die Sozialisten wollen damit endlich die Amnestie für politisch Verfolgte der Franco–Zeit auch auf die UMD–Militärs anwenden. Aufgrund dieser Amnestie waren ihnen zwar die Gefängnisstrafen erlassen worden, der Ausschluß aus den Streitkräften blieb jedoch in Kraft. Denn auch nach Francos Tod am 20. November 1975 hielt der Druck rechts–extremer Militärs an: Gegen die Wiedereingliederung ihrer demokratischen Offizierskollegen einerseits, aber auch grundsätzlich gegen die Demokratisierung der Gesellschaft überhaupt. Der gescheiterte ÜBerfall des Oberstleutnants der Guardia Civcil, Antonio Tejero, auf das spanische Parlament im Februar 1981 war ihre spektakulärste Aktion gegen die neue Demokratie. Um einen friedlichen Übergang zur Demokratie zu ermöglichen, hatten denn auch alle nachfrankistischen Regierungen darauf verzichtet, die Armee gezielt von den zahlreichen Anhängern des Diktators zu säubern. Nach Einschätzung von Experten, die die Madrider Zeitschrift Cambio 16 noch vor dem sozialistischen Wahlsieg im Oktober 1982 veröffentlichte, machten die ultrarechten Militärs immerhin etwa ein Sechstel des Offizierskorps aus. Nicht ganz dieselbe Anzahl wurde als aktiv demokratisch und verfassungstreu eingestuft, während die übergroße Mehrheit als politisch indifferent und lediglich an beruflichen Fragen interessiert galt. Bis heute leistet auch die Mehrheit der Armeeführung hartnäckigen Widerstand gegen die Rehabilitierung. Deshalb kombinierte die sozialistische Regierung den Rehabilitierungsentwurf zeitlich mit der Ablösung des Obersten militärischen Führungsgremiums. Von der neuen vierköpfigen militärischen Führungsspitze, darunter der bisherige Militärberater von König Juan Carlos, wird die Regierungsinitiative offensichtlich mitgetragen. Gleichzeitig wurde ein ganzes Paket von Modernisierungsmaßnahmen umgesetzt, das von der Entmilitarisierung der Guardia Civil und Policia Nacional bis zur Angleichung der militärischen Strategie an NATO–Standards reicht. Dennoch ist die Rehabilitierung der demokratischen Offiziere immer noch ein heikles Manöver. Nach zorniger Kritik an dem UMD–Entwurf und einer persönlichen Konfrontation mit dem neuen Heeresstabschef wurde Anfang November der Befehlshaber der Militärregion Katalonien in die Reserve versetzt. Schon Tage zuvor hatten sich Regierungskreise veranlaßt gefühlt, den ehemaligen UMD–Offizieren nahezulegen, sich freiwillig mit der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung abzufinden. Sie sollen auf die Rückkehr in den aktiven Dienst verzichten, um der Unruhe in den Kasernen keine neue Nahrung zu geben. Das ich die meisten Angesprochenen mittlerweile erfolgreich neue Existenzen im zivilen Leben aufgebaut haben, hat die Regierung Grund zu der Hoffnung, daß sie sich auf den vorgeschlagenen Kuhhandel einlassen werden.