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Kraftprobe um Hanauer Atomschmiede

■ Der hessische Wirtschaftsminister Ulrich Steger lehnt Antrag auf Produktionsausweitung der Plutoniumfabrik ALKEM ab / Wallmann untersagt Steger Entscheidung in Sachen ALKEM / Bis in die 90er Jahre dürfen aber noch MOX–Brennelemente hergestellt werden

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Wiesbaden (taz) - Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik will ein Mini ster der Atomindustrie die kalte Schulter zeigen. Der hessische Wirtschaftsminister Ulrich Steger (SPD) hat Bundesumweltminister Walter Wallmann (CDU) gestern schriftlich mitgeteilt, daß er den Antrag der Hanauer Brennelementefabrik ALKEM auf Ausweitung der Plutoniumverarbeitung und -lagerung ab lehnt. Wie Steger in Wiesbaden vor der Landespressekonferenz erklärte, sei er „nach sorgfältiger Prüfung der Antragsunterlagen“ zu der Auffassung gelangt, daß die geplante Ausdehnung der Plutoniumverarbeitung aber auch die Verwendung der Produkte - Plutoniumbrennelemente für den Schnellen Brüter - zu einer Ansammlung von Gefahrenpotentialen führten. Diese könnten mit den herkömmlichen Mitteln der Überwachung und Steuerung nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden. Wallmann hat Steger unter Hinweis auf sein Weisungsrecht eine Entscheidung über die Produktionsausweitung der Hanauer Plutoniumfabrik vorläufig untersagt. In dem am Donnerstag in Bonn veröffentlichten Fernschreiben heißt es unter Hinweis auf den entsprechenden Grundgesetzartikel 85 (3), er bitte darum, keine Verwaltungsentscheidung zu treffen, die nicht mit seinem für Nuklearfragen zuständigen Bundesministerium im einzelnen abgestimmt sei. Das Ministerium wollte das Fernschreiben jedoch nicht als Untersagung einer Entscheidung verstanden wissen. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Gegenüber Wallmann berief sich Steger ausdrücklich auf die „Schutzziele des Atomgesetzes“, die ihm eine Genehmigung des ALKEM–Antrags zum Beispiel auf die Erhöhung der Plutonium– Umgangsmenge von zur Zeit 460 Kilogramm auf 6,7 Tonnen verboten hätten: „Die Ausdehnung der Plutoniumverarbeitung erweitert die bisherige, ursprünglich einmal als Erprobungsanlage gedachte ALKEM–Anlage auf eine großindustrielle Fertigung. Dafür ist Plutonium wegen seiner gefährlichen Eigenschaften nicht geeignet.“ Ausdrücklich wandte sich Steger auch gegen die „Schließung des Plutonium–Brennstoffkreislaufs“ durch die von der ALKEM beantragte Erhöhung der Plutonium–Durchlaufmengen. Der angestrebte Umfang würde eine neue Dimension für die Gefahr von „Plutonium–Abzweigungen“ eröffnen. Trotz der bestehenden völkerrechtlichen Vorkehrungen dagegen, sei dann das Proliferationsrisiko nicht mehr kontrollierbar. Der hessische Wirtschaftsminister forderte ALKEM gleichzeitig auf, ihren Antrag in bezug auf den Produktionsgegenstand zu modifizieren. Nach Auffassung von Steger soll die ALKEM - auf der Grundlage der bisherigen Umgangsmenge (460 Kg) - nur noch sogenannte Mischoxydbrennelemente (MOX) herstellen und die Produktion von „reinen“ Plutoniumelementen, etwa für den Einsatz im umstrittenen Schnellen Brüter in Kalkar, umgehend einstellen. Aufgrund bestehender rechtli cher Verpflichtungen zur Rücknahme von Plutonium aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague dürfe die ALKEM diese MOX–Brennelemente noch bis Anfang der 90er Jahre produzieren. Ab 1996, so die Vorstellungen des SPD–Ministers, könne dann bei der ALKEM mit der Herstellung nichtnuklearer Produkte begonnen werden. Steger: „Ich fordere die ALKEM– Geschäftsführung auf, sich schon jetzt mit uns zusammenzusetzen, damit wir gemeinsam - im Interesse der 800 Beschäftigten - eine neue Produktion aufbauen können. Steger, der nach dem Atomgesetz nur in Bundesauftragsverwaltung handelt, kündigte für den Fall, daß Wallmann den hessischen Minister anweisen sollte, den ALKEM–Antrag zu genehmigen, hat Steger einen Gang des Bundeslandes Hessen zum Bun desverfassungsgericht in Karlsruhe an. Die Einreichung einer Normenkontrollklage sei dann allerdings Aufgabe der Staatskanzlei. In einer ersten Stellungnahme begrüßte der hessische Umweltminister Joschka Fischer grundsätzlich die Ablehnung des ALKEM–Antrags durch Steger. Fischers Pressesprecher Georg Dick erklärte allerdings auf Nachfrage der taz, daß der Umweltminister diese „reduzierte Genehmigung“ auf keinen Fall mitunterzeichnen werde. Mit der Entscheidung für die Aufrechterhaltung der Produktion - Herstellung der MOX– Brennelemente - sei Steger den Ergebnissen des sogenannten „Doppelvierers“ (rot–grüne Expertenkommission zum Thema Hanau/Biblis) nicht gerecht geworden. Die Wissenschaftler hatten Mitte 85 den sofortigen Aus stieg aus der Plutoniumwirtschaft gefordert.

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