: Mit dem Bohnersack in der Chemiewolke
■ Putzengehen ist nicht nur eine harte, unterbezahlte, sondern auch eine buchstäblich ätzende Arbeit / Weder gibt es Gefahren– und Schmutzzulagen noch einen vernünftigen Gesundheitsschutz / Tarifverträge und gesetzliche Bestimmungen werden oft umgangen
von Viola Falkenberg Putzen ist eine Arbeit nur für Frauen. Wer das bezweifelt, kann sich in der wissenschaftlichen Literatur eines besseren belehren lassen. So heißt es in der Arbeitsmedizinischen Berufskunde von Scholz–Wittgens von 1981: „Für die meisten Männer hatte und hat dieser Arbeitsplatz den Beigeschmack einer gewissen Zweitrangigkeit ... Selbstverständlich spielt hier auch die gelegentlich schlechte Lohneinstufung eine wichtige Rolle. Rein psychologisch gesehen setzt eine Frau lediglich ihre Hausarbeit fort und der arbeitende Mann findet seine Umwelt genauso gesäubert und gepflegt vor wie zu Hause.“ Weniger borniert als diese Mediziner sind da einige Gewerkschaftsvertreter. Die wissen auch sehr genau, daß kaum eine Frau putzen geht, weil es ihr Spaß macht. Das hart verdiente Geld durch eine oder mehrere Putzstel len wird meist dringend für den Lebensunterhalt gebraucht. „Vor allem die Frauen nehmen die oft haarsträubenden Arbeitsbedingungen an, deren Männer arbeitslos sind“, erläutert Dieter Rogee, Sekretär bei der Industriegewerkschaft Bau Steine Erden (IG Bau), Landesverband Bremen. Eine zweite Gruppe sind die alleinstehenden Frauen mit Kindern, die von der Sozialhilfe leben müssen - und auf den Zusatzverdienst angewiesen sind. Von den fast 400.000 Frauen, die im Reinigungsgewerbe tätig sind, arbeiten 70 bis 90 Prozent als „geringfügig Beschäftigte“. Das heißt, daß diese Frauen maximal 410DM pro Monat verdienen und damit innerhalb der Versicherungsfreigrenze liegen. Sie sind also weder bei Krankheit und Unfall versichert, noch werden Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Eine medizinische Betreuung, wie sie für alle Arbeitsplätze vorgeschrieben ist, gibt es für sie in aller Regel nicht. Laut Tarifvertrag müßten alle Putzfrauen mindestens 8,50 DM netto pro Stunde verdienen (Brutto 9,40 DM). Und selbst diese Bezahlung für die schwere körperliche Arbeit wird oft umgangen. Zum Beispiel indem den Frauen ein bestimmter Bereich zugeteilt wird, den sie putzen müssen - unabhängig davon, wieviele Stunden sie tätsächlich dafür brauchen. Und dies ist nicht nur bei einigen wenigen schwarzen Schafen der Branche üblich. Immer mehr Unternehmen und Behörden wechseln ihre festangestellten Reinigungsfrauen aus und beauftragen private Reinigungsfirmen. Ob die Frauen dann noch nach Tarif bezahlt werden oder sozialversichert sind kümmert die Ministerien, Länder und Kommunen herzlich wenig. Und was meint die Gewerkschaft dazu? „Es ist für uns schwierig, die tariftreuen Firmen tariftreu zu halten - weil auch sie dem großen Konkurrenzdruck ausgeliefert sind“, stellt Dieter Rogee fest. Er fordert daher, daß die Versicherungsfreigrenze von zur Zeit 410 DM ganz abgeschafft wird. Die täglichen Arbeitsbedingungen für die Frauen würden sich wohl selbst dann nicht verbessern. Der enorme Zeitdruck bei der monotonen Arbeit führt dazu, daß die Frauen nicht so putzen können, daß es ihren eigenen Ansprüchen genügt. Sie sind also ständig unzufrieden mit der geleisteten Arbeit, die in den Toilettenbereichen auch schon mal ekelerregend ist. Dafür werden die Frauen nicht einmal durch eine Schmutzzulage mit Geld entschädigt. Ätzende Arbeit Auch eine Gefahrenzulage wäre durchaus angebracht. Putzfrauen erleiden häufig Prellungen, Quetschungen, Schürfungen und Handverletzungen. Wer schon mal einen immer wieder heruntergetretenen und verdich teten Papierkorb im Büro geleert hat, weiß, wie leicht es durch Glasscherben und Getränkedosen zu Verletzungen der Hände kommt. Das ständige Bücken, mit Druck scheuern und wischen führt zu Verspannungen und Wirbelsäulenschäden. Auch wird ständig mit scharfen Reinigungsmitteln gearbeitet. In der Regel wissen die Frauen nicht, was diese Mittel enthalten und in welcher Dosierung sie angewendet werden sollen. Wer die ätzenden Mittel nicht verträgt und deshalb Hautallergien und Atembeschwerden bekommt, muß sich halt einen anderen Job suchen. Die Leiterin einer Putzkolonne erzählt: „Da kippt auch schon mal eine um.“ Ein Wunder ist das nicht. Die Frauen bekommen die Desinfektionsmittel und anderen Chemikalien ja außer auf die Hände auch in die Lungen und damit in den Blutkreislauf. Denn die Mittel, mit denen z.B. die Böden behandelt werden, verdunsten ziemlich schnell. Die Frauen verrichten ihre Arbeit also in einer Wolke von Chemikalien. Über die genauen gesundheitlichen Auswirkungen der Arbeitsbedingungen ist insgesamt allerdings nur wenig bekannt. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz nennt in einem Forschungsbericht über „Belastungen bei Arbeitsplätzen, die überwiegend mit Frauen besetzt werden“, die Ergebnisse „unbefriedigend“. Zur besseren Gestaltung der Arbeit werden in dem Bericht, neben der Verminderung des Leistungs– und Zeitdruckes, Maßnahmen der Arbeitsbereicherung empfohlen „z.B. durch dekorative Aufgaben, wie das Ausschmücken von Räumen mit Blumen“. Mit neueren und weniger schweren Arbeitsmaschinen sowie weniger ätzenden Putzmitteln wäre den Frauen vermutlich mehr gedient. Wie wäre es mit der obligatorischen Einführung von biologischen Putzmitteln, die nicht nur für die damit arbeitenden Frauen gesünder wären?
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