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Erneute Absetzung in Kasachstan

■ Zweiter russischer Parteisekretär Kasachstans durch einen Einheimischen ersetzt / Scharfe Kritik des Parteichefs Kolbin an Vetternwirtschaft / Erste ausführliche Presseberichte über Proteste in Alma Ata

Moskau (ap) - Knapp einen Monat nach der Ablösung des kasachischen Parteichefs Dinmuhammed Kunajew durch den Russen Gennadi Kolbin ist dessen Stellvertreter Oleg Miroschkin von seinem Posten abgesetzt worden. Als Nachfolger des Russen Miroschkin wurde nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur TASS vom Samstag der Kasache Sagidullah Kubaschew ernannt. Während Kunajews Ablösung Mitte Dezember mit Korruptionsvorwürfen gegen den langjährigen Parteichef in Zusammenhang stand, war nicht klar, ob es sich bei Miroschkins Ablösung ebenfalls um eine Strafmaßnahme handelte. Politische Beobachter hielten es für möglich, daß Rücksichten auf das kasachische Nationalgefühl für die Maßnahme ausschlaggebend gewesen sein könnten und das Zentralkomitee dem Russen Kolbin, dessen Ernennung am 17. und 18. Dezember in der kasachischen Hauptstadt Alma Ata zu nationalistisch gefärbten Unruhen geführt hatte, einen Einheimischen als Stellvertreter zur Seite stellen wollten. Üblicherweise ist in den nichtrussischen Unionsrepubliken der erste ZK–Sekretär ein Einheimischer, dem in den meisten Fällen ein Russe als zweiter Mann zur Seite gestellt wird. Der neue kasachische Parteichef Kolbin setzte seinen Kampf gegen Vetternwirtschaft und Korruption auch am Wochenende fort. Der Agentur TASS zufolge übte Kolbin dabei scharfe Kritik an dem dort offenbar weit verbreiteten Brauch, hohe Ämter nicht nach Leistungskriterien, sondern aufgrund persönlicher Beziehungen zu vergeben. Die Zeitung des sowjetischen Jugendverbandes, Komsomolskaja Prawda, berichtete am Samstag erstmals ausführlich über die Unruhen in Alma Ata nach der Ablösung Kunajews. Das Blatt deutete dabei an, daß korrupte Staats– und Parteifunktionäre Jugendliche angestiftet hätten, um ihre drohende Entmachtung in letzter Minute zu verhindern. Unterdessen wurde in der sowjetischen Presse auf die Entschlossenheit der neuen Führung hingewiesen, die unter KPdSU– Chef Michail Gorbatschow eingeleitete Reformpolitik fortzuführen. Die Kasachstanskaja Prawda berichtete von Plänen zur Schaffung eines Gesetzes gegen „Parasitentum“. Der Begriff wurde in dem Blatt auf Personen angewandt, die sich länger als vier Monate vor Arbeit oder Schule drücken. Die Kulturzeitschrift Sowjetskaja Kultura kritisierte kasachische Regierungsvertreter, weil sie seit Jahren die Verbreitung nationalistischen Schrifttums erlaubt hätten

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