„Guinness is not good for you“

■ Neue Enthüllungen über die Aktienschiebereien des Guinness–Konzerns lassen in der Londoner City die Köpfe rollen / Geschäftspraktiken ohne „Reinheitsgebot“ / Die Boesky–Affäre schwappt aus den USA nach Großbritannien / Die Labour Party entdeckt Sündenmeile des Geldes als Wahlkampfthema

Aus London Rolf Paasch

Ein Scheck geht um in der Londoner City, und keiner will ihn einlösen. Denn wer es wagen sollte, den Wechsel in Höhe von 48.000 Pfund (knapp 140.000 DM) in cash umzuwandeln, der könnte allzu leicht im Knast landen. Der gäbe nämlich indirekt zu, Besitzer von 2.1 Mio. Aktien des Guinness–Konzerns zu sein; eines Aktienpakets, um das sich der jüngste Skandal an der Londoner Börse dreht. Seit Anfang Dezember versucht die Börsenpolizei, das sind die Inspektoren des Industrie– und Handelsministeriums (DTI) herauszufinden, wer das Aktienpaket des Brauereikonzerns im vergangenen April erstanden hat und warum. Sollte es Guinness selbst gewesen sein, dann hätte der Konzern mit dem Kauf seiner eigenen Aktien gegen das britische „company law“ verstoßen. Das Gesetz von 1980 erlaubt solche Aktionen nur unter besonderen Bedingungen und mit Einverständnis der Aktionäre. Doch diese wußten von nichts, und auch der Name vieler in den Skandal verwickelten Börsenprofis ist seit einigen Wochen Hase. So langsam kommen allerdings die Fakten ans Tageslicht. Während Guinness im vergangenen Frühjahr mit der Argyll– Gruppe um die Übernahme der „Distillers Company“ wetteiferte, schlug der Direktor der Guinness beratenden Handelsbank, Morgan Grenfell, dem Bankhaus Ansbacher vor, seinen Kunden den Erwerb von Guin ness–Aktien ans Herz zu legen. „Guinness is good for you“ zitierte er den weltweit bekannten Werbespruch der Brauerei; womit er andeuten wollte, daß es nicht zum Schaden der Käufer sein sollte. Hauptsache, die Guinness– Aktien bewegten sich während des Übernahmegefechts nach oben, damit der Brauerei–Konzern als der attraktivere Übernahme–Partner dasteht. In der Tat: Die Aktien zogen wie gewünscht an. Nachdem die Bierbrauer die Whiskybrennerei am Ende erfolgreich geschluckt hatten, fielen die Guinness–Aktien wieder auf 300 Pence. Dennoch kaufte ein unbekannter Gönner die 2.1 Millionen Aktien über eine Briefkastenfirma zum erstaunlichen Preis von 355 Pence zurück. Die großzügigen Kunden des Bankhauses Ansbacher sollten sich von ihm nicht schlecht beraten fühlen. Erst als die Dividende des Aktienpakets im Dezember dann in Form des besagten Schecks auftauchte, stellte sich die Frage nach dem Besitzer der Aktien. Nach anfänglichem Leugnen, auch nur das Geringste über das Aktienpaket zu wissen, trat dann in der letzten Woche der Direktor von Morgan Grenfell, Roger Seelig, zurück und verzog sich schmollend in sein 4 Mio.– Landhaus. Denn bezahlt hatten, wie der „Observer“ anschließend herausfand, ganz andere, nämlich Guinness–Finanzdirektor Olivier Roux, rechte Hand von Guiness– Chef Saunders. Und während der Guinness–Vorstand letzte Woche nächtelang - vermutlich bei mehr Whisky als Bier - diskutierte, wessen Kopf denn nun als nächster rollen sollte, packte Roux gegenüber den DTI–Inspektoren aus. Es muß Brisantes gewesen sein, denn er war nicht mehr zu halten: am Montag trat Roux zurück. Er hatte enthüllt, so wird vermutet, daß der Deal mit den Ansbacher–Kunden nur Teil einer weltweit orchestrierten Börsenmanipulation war. Durch den organisierten Kauf von Bier–Aktien sollte die beim take over von „Distillers“ mitbietende „Argyll–Gruppe“ ausgestochen werden. Jedenfalls erzählte Roux den Strafverfolgungsbehörden genug, um am Wochenende auch Vorstands– und Aufsichtsratsvorsitzenden Ernest Saunders zum Rücktritt zu bewegen. Saunders war bereits im Dezember ins Gerede gekommen, als er eine geheime 100–Mio.–Investition von Guinness in die Investmentfonds des US–Börsenkriminellen Ivan Boesky zugeben mußte. Roux lieferte mit seinen Aussagen jetzt offensichtlich den Beweis für die These, daß die 100 Mio. Pfund nur die Rückzahlung für „frühere Dienste“ des Wall Street Arbitrageurs waren. Auch Boesky hatte Guinness–Aktien gekauft. Ohne die Enthüllung der Boesky–Affäre durch die US–Behörden wären die britischen Börsenaufsehr nie auf die Spuren der londoner Übeltäter gestoßen. Mit Ernest Saunders forderte die Serie von Börsenskandalen in London ihr bisher prominentestes Opfer. Unter der fünfjährigen Herrschaft des früheren Nestle–Managers stieg der Börsenwert des Familienbetriebes Guinness von 90 Mio. auf 3 Mrd. Pfund. Doch nach Roux und Saunders Fall - gedämpft durch die weitere Beziehung seines Millionengehalts - könnte der so erfolgreiche Brauerei–Konzern nun plötzlich selbst Opfer eines take overs werden. Schon gehen Gerüchte um, daß der US–Brauerei–Gigant Anheuser–Busch (Budweiser) an dem sämigen braunen Saft von der grünen Insel Interesse zeigt. Für die Regierung Thatcher kommt der neue Börsen–Skandal im gegenwärtigen Vorwahlkampf zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. All das Gerede vom Vertrauen in die Finanzmärkte und in deren Fähigkeit zur Selbstkontrolle entpuppt sich in Anbetracht der sich in der City entladenden kriminellen Energien als hohles Geschwätz. Seitdem Thatcher der Finanzmetropole mit dem „Big Bang“ vom Oktober zu noch mehr Freiheit des Wettbewerbs verhalf, mußte die Börsenpolizei bereits sechsmal in die sündige Meile des Kapitals einziehen und ihre Ermittlungen aufnehmen. In einem Fall sollen sogar Beamten des DTI in die „Insider–Geschäfte“ verwickelt gewesen sein. Trotz der wunderbaren Gelegenheiten, die negativen Auswüchse der grenzenlosen Wettbewerbsphilosophie und fortschreitender Monopolisierung wie ein öffentliches Lehrstück vorgeführt zu bekommen, hat die oppositionelle Labour Party bisher kläglich versagt, daraus Kapital zu schlagen. Doch diese Anbiederung soll nun ein Ende haben. Nach der jüngsten Strategiesitzung des Schattenkabinetts eröffnete Möchtegern– Schatzmeister Hattersley am Montag die Angriffe auf Maggies Freunde in der City. Die Bankenmeile, so Hattersley, sei der Teil der Volkswirtschaft mit dem „schlechtesten Ruf“.