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U–Boot–Ausschuß hört Zeugen

■ Genschers Name in einem Vermerk aufgetaucht / IKL erwägt Verfassungsklage wegen Vorgehen des Ausschusses / Firmen wußten von Einspruch gegen die Lieferungsgenehmigung

Aus Bonn Ursel Sieber

Der Untersuchungsausschuß über die Lieferung von U–Boot–Plänen der Firmen HDW und Ingenieurkontor Lübeck (IKL) an Südafrika hat gestern in öffentlicher Sitzung mit der Vernehmung von Zeugen begonnen. Als erster war gestern der Leiter der Abteilung „Ausfuhr“ im Bundesamt für Gewerbliche Wirtschaft, Dieter Güth, an der Reihe. Das Bundesamt ist dem Wirtschaftsministerium unterstellt und genehmigt nach dem Außenwirtschaftsgesetz den Export von Rüstungsgütern. Nach seinen Aussagen haben die Firmen zwischen dem 10.10.1984 und 19.6.1985 an Südafrika geliefert. Güth bezog sich auf einem Prüfbericht der Oberfinanzdirektion zu IKL, in dem etwa ein Dutzend Auslieferungsdaten genannt und der 19.6.1985 als letzter Termin angegeben sei. Einen Tag vorher, am 18.6.85 also, hatte Wirtschaftsminister Bangemann nach eigenem Bekunden den Geschäftsführer von IKL, Nohse, darauf hingewiesen, daß Genehmigungen nicht erteilt würden, „soweit das Embargo reiche“. Güth betonte außerdem, Ausfuhr–Anträge für U–Boote, U– Bootteile oder Fertigungsunterlagen nach Südafrika hätten IKL und HDW seit 1978 nicht gestellt. Nach Teil B und C der Ausfuhrliste seien allerdings Anträge eingegangen. Die Navigationssysteme der Firma Litef für Kriegsschiffe, deren Lieferung an Südafrika das Bundesamt genehmigt hatte, rechnete Güth ausdrücklich dem Teil C der Ausfuhrliste zu. Ein Vermerk vom 22.Juli 85 des Ministerialrats im Wirtschaftsministerium, Haase, bringt auch Außenminister Genscher ins Gespräch. Demnach habe ihm IKL– Geschäftsführer Nohse mitgeteilt, „auch der Bundesaußenminister sei durch Herrn Ahlers, den Vorstandsvorsitzenden von HDW, ...Mitte 84 unterrichtet worden und habe sich für den Fall einer kleinen Lösung nicht ablehnend gezeigt“. Die „kleine Lösung“ meinte die Lieferung von U– Boot–Plänen. Genscher hatte sich bis heute immer dahingehend geäußert, er habe von dem Geschäft abgeraten. Anwälte des Geschäftsführers des IKL, Lutz Nohse, haben angekündigt, möglicherweise das Bundesverfassungsgericht anrufen, um das Vorgehen des Untersuchungsausschußes des Bundestages zur Aufklärung der U–Boot–Affäre prüfen zu können.

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