Schatten über Londons Polizei

■ Londoner Kriminalgericht sprach schießwütigen Bobby frei / Die schwere Körperverletzung hatte 1985 zu Rassenunruhen in Brixton geführt / Verantwortungsloses Polizeiengagement wird kritisiert

Aus London Rolf Paasch

Die Jury eines Londoner Kriminalgerichts hat am Donnerstag den wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagten Polizeiinspektor Douglas Lovelock freigesprochen. Der Londoner Bobby hatte im September 1985 bei einer Hausdurchsuchung die Mutter eines von der Polizei gesuchten Schwarzen mit einem voreiligen Schuß schwer verletzt. Die Schießwut des Beamten hatte in Brixton damals zu schweren Rassenunruhen geführt. Der Vorfall hatte die ärgsten Vorurteile der schwarzen Bevölkerung gegen rassistische Polizeipraktiken bestätigt. Inspektor Lovelock ist der dritte Bobby, der innerhalb von drei Jahren vom Vorwurf des Totschlags oder der schweren Körperverletzung freigesprochen wurde. Er sei, so verteidigte er sich vor Gericht, bei der Suche nach dem angeblich bewaffneten Michael Groce nervös gewesen. Nach Eintreten der Tür sei plötzlich ein „schwarzer Schatten“ auf ihn zugekommen, worauf sein Finger in der Erregung den Abzug seiner Dienstpistole betätigt habe. Der „schwarze Schatten“ war die 39jährige Mutter von Michael Groce, die seitdem querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt. Selbst der Verteidiger Lovelocks mußteeine „Serie von Fehlern“ in der polizeilichen Organisation zugeben. Ohne einen Lageplan des Hauses zu besitzen und ohne zu erkunden, wer zum Zeitpunkt der Durchsuchung anwesend war, waren die angeblichen Hüter der Ordnung einfach hineingestürmt. Dabei hätte ihnen jeder Nachbar sagen können, daß der Gesuchte schon seit Monaten nicht mehr bei seiner Mutter wohnte. Die Einsatzleiter hatten Lovelock innerhalb von 48 Stunden auf drei bewaffnete Verbrecher–Jagden geschickt; der Beamte war zum Zeitpunkt seiner Überreaktion 13 Stunden im Einsatz, ohne eine Mahlzeit zu sich genommen zu haben. Während Lokalpolitiker in Brixton den Freispruch der Jury als „grobe Ungerechtigkeit“ kriti sierten, lokalisierte der Kommentator des Independent die eigentlich Schuldigen im Polizeimanagement. Der „schwarze Schatten“, den Inspektor Lovelock im Hausflur zu erkennen glaubte, hängt in der Tat eher über der Londoner Polizeiführung.