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Pleite–Reaktor für die Sowjets

■ Die deutsche Atomindustrie will der UdSSR „kleine“ Hochtemperatur–Reaktoren verkaufen / Seit Mitte vergangenen Jahres laufen Verhandlungen / Sowjetunion als Ausgangspunkt für weltweites Marketing

Berlin (taz) - Die seit Tagen kursierenden Spekulationen um mögliche deutsch–sowjetische Atomgeschäfte haben sich konkretisiert. Die Essener Firma Innotec Energietechnik KG berichtete gestern über ihre seit Mitte 1986 laufenden „Gespräche“ mit sowjetischer Seite. Die deutsche Atomindustrie will demnach der Sowjetunion ein Nachfolgemodell des Hochtemperaturreaktors verkaufen, ein sogenannter kleiner HTR 100. Lieferung, Bau und Betrieb einer zwei Milliarden DM teuren Doppelanlage mit insgesamt 200 Megawatt elektrischer Leistung sei Gegenstand der Verhandlungen. Die Essener Firma vertritt ein Firmenkonsortium, dem die Atomfirmen BBC, die Hochtemperatur–Reaktorbau–GmbH (HRB), Babcock–Maschinenbau, aber auch Mannesmann–Anlagenbau und die Kölner Strabag– Bau–AG angehören. Ziel der Firmengruppe sei es, den von BBC und HRB konzipierten „kleinen“ HTR weltweit zu vermarkten. Ein Prototyp in der Sowjetunion soll Ausgangspunkt für weitere HTR– Geschäfte vor allem im Bereich der RGW–Länder sein. Mit Ungarn, aber auch mit China würden ebenfalls Gespräche geführt. Mit der HTR–Initiative greife die deutsche Atomindustrie laut Innotec eine Anregung des sowjetischen Parteichefs Gorbatschow auf, der im Juni 1986 in Budapest vorgeschlagen habe, gemeinsam mit dem Westen einen Kernreaktor neuer Generation zu entwickeln. Vom sowjetischen Botschafter in der BRD, Kwizinski, werde das angestrebte Atomgeschäft angeblich stark gefördert, und auch die Bundesregierung habe ihre Unterstützung zugesagt. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Schon bei seinem im November 86 vorgesehenen Moskau–Besuch wollte Forschungsminister Riesenhuber ein Atomabkommen mit der Sowjetunion unterzeichnen und über das HTR–Geschäft sprechen. Wegen Kohls Goebbels–Vergleich war die Reise ausgefallen. In der BRD ist seit vergangenem Jahr der erste und einzige HTR in Hamm–Uentrop in Betrieb. Der 300 Megawatt–Reaktor wurde nach mehr als 15 Jahren Bauzeit nach mehreren Kostenexplosionen und unter mühsamem Ringen mit Sicherheits– und Konstruktionsproblemen fertiggestellt. Ein konkretes Nachfolgeprojekt ist gegenwärtig in der BRD nicht in Sicht. Dem lange geplanten 500 MW– Nachfolger werden gegenwärtig kaum noch Chancen gegeben. Gestorben - zumindest in diesem Jahrtausend - sind auch alle Pläne, den HTR für die Kohlevergasung einzusetzen. Lange Zeit war der von der SPD favorisierte Reaktortyp als „Klammer zwischen Kohle und Kernenergie“ propagiert worden, dessen nukleare Prozeßwärme in der Kohleveredelung eingesetzt, „die Zukunft der deutschen Kohle sichern“ sollte. Von dieser Utopie haben sich die HTR–Protagonisten nach vernichtenden ökonomischen Gutachten verabschieden müssen. Bereits im März vergangenen Jahres jammerte BBC–Chef Gassert im Energiereport, daß es „außerordentlich schwierig ist, den Hochtemperaturreaktor auf den Markt zu bringen“. Ausländische Abnehmer zur Überwindung der „Durststrecke“ (Gassert) sah der BBC–Mann schon damals auf“der ganzen Welt“. Der meist gut informierte Energiereport nannte die Sowjetunion, aber auch Kanada, Venezuela und Australien als Interessenten am Exportartikel HTR. Manfred Kriener

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