Italiens AKWs auf der Kippe

■ Volksentscheid gegen Atomenergie gebilligt / Referendum zur Verantwortlichkeit von Richtern bei Fehlurteilen ebenfalls zugelassen / Abstimmungsdatum wegen Regierungskrise unklar

Aus Rom Werner Raith

Nicht weniger als acht Anträge auf Volksbefragung hatten Italiens Verfassungsrichter letzte Woche zu überprüfen: drei zur Justizreform, drei gegen die Nutzung der Kernenergie und zwei gegen die Jagd. Die zwei Anträge gegen die Jagd sowie einer zur Justizreform wurden vom Gerichtshof abgelehnt. Zugelassen wurde neben zwei Referenden zur Justiz (über die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Richters bei Fehlurteilen) das gesamte „Anti–Atomkraft–Paket“, das die Abschaltung aller AKWs fordert und den Bau neuer Anlagen verhindern soll. Stimmen für dieses Plebiszit hatten Italiens Grüne und ein halbes Dutzend Umweltschutzverbände gesammelt, unterstützt von der kleinen radikalen Partei und der „Democrazia Proletaria“. Als der große Widerhall auf die Ausstiegsaktion deutlich wurde (mit einer Million wurde das Doppelte der geforderten Antragszahl erreicht), sprangen die Sozialisten des Regierungschefs Bettino Craxi auch noch auf den fahrenden Zug: große Gefahr für die Industrie bedeutet das nicht, denn Italien hat nur drei AKWs in Betrieb, und der Anteil der Atomenergie an der Stromversorgung liegt bei nur vier Prozent. Über die Vorlagen müssen die Italiener nun im Mai oder Juni abstimmen - ganz sicher ist das allerdings noch nicht. Erstens kann das Parlament die Referenden vermeiden, wenn es entsprechende Gesetze verabschiedet - im Justiz–Fall wurde die Prozedur bereits eingeleitet, und auch eine Anti–AKW–Entschließung ist nicht ausgeschlossen. Zweitens steht dem Land derzeit eine Regierungskrise bevor, die möglicherweise in Neuwahlen enden wird. Umweltschützer haben allerding auch noch eine andere Sorge: die bei Abschaltung ausfallenden vier Prozent sollen (wie auch so schon 25 Stroms) importiert werden - und zwar aus Frankreich, das dafür seine Atomproduktion erhöhen kann.