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Keine „heiße Spur“ im Mordfall Mohammadi

■ Bundesanwaltschaft ermittelt in alle Richtungen / Wurde der ehemalige Chefpilot des iranischen Parlamentssprechers Rafsanjani zum Schweigen gebracht, weil er zuviel wußte? / Hamburger Polizei und Ausländerbehörde blieb trotz des Hilfeersuchens von Mohammadi passiv

Von Robert Sylvester

Anderthalb Wochen nach der Ermordung des Iraners Ali Akbar Mohammadi in Hamburg liegen in Karlsruhe noch keine konkreten Hinweise auf die Täter vor. Lediglich eine zweite Tatwaffe sei gefunden worden, erklärte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Dienstag gegenüber der taz. Umfassende Ermittlungen liefen in alle Richtungen, auch wenn am Anfang Vermutungen, es handele sich um eine politische Tat, im Vordergrund gestanden hätten. Morddrohungen per Telefon Kapitän Ali Akbar Mohammadi war nicht der erste iranische Pilot, der mit seinem Flugzeug das Weite suchte und in einem benachbarten Staat landete, um gegen Krieg oder Repression in der islamischen Republik zu protestieren. Zahlreiche Piloten von Verkehrs– und Militärmaschinen haben vor ihm das Gleiche getan. Die meisten von ihnen steuerten den Irak an, den Kriegsgegner des Iran. Aber um sie hat sich keiner gekümmert, geschweige denn ermordet, wie es Mohammadi widerfuhr. Zwei Tage zuvor hatte er telefonische Morddrohungen in persischer Sprache erhalten, in denen es nach Angaben des Anwalts hieß, vier iranische Kommandos seien unterwegs, um ihn zu töten. Die Bundesrepublik war bisher nicht Schauplatz derartiger Ereignisse gewesen. Prominente Oppositionelle ließen sich eher in Frankreich nieder. Hierzulande machten in den Jahren 81/82 gelegentlich Schlägertrupps des Regimes von sich reden, aber daß ein politischer Flüchtling aus dem Iran auf offener Straße erschossen, quasi hingerichtet wird, das ist neu. Schließlich verfügen beide Länder über gute wirtschaftliche Beziehungen. Doch dieser Fall liegt anders. Denn Mohammadi war der Vertrauenspilot von Irans Parlamentspräsident Hodjatoleslam Ali Akbar Rafsanjani und chauffierte dessen Dienstflugzeug. Rafsanjani war seit dem Sturz des Schah–Regimes im Jahre 1979 bemüht, sich aus allen Konflikten herauszuhalten, die womöglich seinen langen Aufstieg zum mächtigsten Mann im Iran nach Khomeinis Tod hätten behindern können. Er versuchte stets, sich im Westen als ernstzunehmender Diplomat zu präsentieren, der „anders als die anderen Mullahs“ ist, ein aufgeschlossener Gesprächspartner, mit dem man verhandeln kann. Daher war er bislang in dem erbitterten Machtkampf um die Nachfolge Khomeinis seinem schärfsten Konkurrenten, Präsident Ali Khamenei, um einen Schritt voraus. Das Ansehen seines Rivalen wurde im Jahre 1984 durch die Flucht von Khameneis Schwester nach Bagdad angeschlagen. Ihr Ehemann Scheich Ali Teherani sitzt heute noch in der irakischen Hauptstadt und nutzt Radio Bagdad für seine Angriffe gegen die Mullahs in Teheran. Vor diesem Hintergrund war Mohammadis Flucht am 12. August nach Bagdad und später nach Hamburg eine Schande, die er nicht auf sich sitzen lassen konnte. Eine Woche später stritt er ab, jemals ein Flugzeug für seinen persönlichen Gebrauch gehabt zu haben. Hochkarätige Insider–Informationen „Sie sind in einem Passagierflugzeug zu Propagandazwecken nach Bagdad geflohen, um von unseren Siegen im Krieg und in der OPEC abzulenken“, erklärte Rafsanjani damals unter Anspielung auf die Flucht Mohammadis. „Wwir fliegen wie normale Passagiere. Wir leben nicht mehr zu Zeiten des Schah–Regimes, wo jeder ein Privatflugzeug hatte.“ Man kann davon ausgehen, daß Mohammadi seinen Chef auf all dessen Reisen begleitete und über seine Kontakte informiert war, namentlich auch ausländische, die Rafsanjani nicht gern veröffentlicht sehen wollte. Die israelische Zeitung Davar berichtete kürzlich, daß Rafsanjani Anfang 1986, ein halbes Jahr vor der Flucht seines Piloten, in London im Rahmen des Geisel– und Waffendeals mit amerikanischen und israelischen Gesprächspartnern zusammengetroffen sei. Gleich, ob an dieser Geschichte etwas dran ist, verfügte der Pilot vermutlich über Insider–Informationen über Rafsanjani, die für seine Gegner im heimischen Machtkampf wie auch für Oppositionelle im Ausland von höchstem Wert gewesen wären. Daher hätte ein Auspacken Mohammadis die Stellung des stets lächelnden Parlamentspräsidenten ernsthaft bedrohen können. Trotz Gefährdung kein Schutz In iranischen Exilkreisen in Hamburg heißt es, Mohammadi und vor allem sein Bruder seien unvorsichtig gewesen. Sie hätten über Reisen und Gesprächspartner Rafsanjanis berichtet, beispielsweise nach Qom, wo der Parlamentspräsident mit bestimmten Ayatollahs zusammentreffen wollte. Es heißt weiter, eines der beiden iranischen Handelsbüros in der Hansestadt, in der Osterstraße gelegen, sei in Wirklichkeit ein „Spionagezentrum“, das seine Befehle direkt aus Teheran empfange. Offenbar gelangte also die Nachricht von der Anwesenheit Mohammadis in die falschen Ohren. In einem recht düsteren Licht erscheint im Mordfall Mohammadi auch die Ecke der Polizei und der Ausländerbehörde. Da der Pilot um seine Gefährdung wußte, wurden sein Anwalt und er bereits am 16. Dezember bei der Polizei vorstellig, wie es in Flüchtlingskreisen heißt. Dort sei ihnen geantwortet worden, man könne erst etwas für ihn tun, wenn er am 16. Januar seinen Paß erhalten habe. Der Asylantrag des Iraners wurde Mitte des Monats bewilligt, doch sollte ihm sein Paß wegen der üblichen Einspruchsfrist erst am 16.1. ausgehändigt werden. Trotz der bekannten Gefährdung wurde hier keine Ausnahme gemacht. Angeblich wollte Mohammadi anschließend in die USA reisen. Doch dann war es zu spät. Mohammadi wurde am 16. Januar erschossen.

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