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Peru: Wichtige Zeugen in geheimer Haft

■ 60 Überlebende des Gefängnis–Massakers vom Juni 1986 werden einem unveröffentlichten Bericht von amnesty international zufolge seit sieben Monaten von Marine–Infanteristen in geheimen Gefängnissen festgehalten / Die Gefangenen gelten seither als vermißt

Lima (ips/taz) - 60 Überlebende des Massakers an politischen Häftlingen in drei peruanischen Gefängnissen vom Juni 1986 werden von den Militärbehörden des Landes seitdem an einem geheimen Ort gefangengehalten. Dies geht aus einem bisher nicht veröffentlichten Bericht von amnesty international hervor, der in gekürzter Fassung in der peruanischen Wochenzeitung Caretas erschienen ist. Nach Darstellung der Menschenrechtsorganisation befinden sich die als vermißt geltenden Gefangenen seit dem 18. Juni in der Gewalt von Marineangehörigen, von denen sie verhört werden. Mehr als 450 Gefangene, vor allem mutmaßliche Mitglieder der Guerillaorganisation „Sendero Luminoso“ (Leuchtender Pfad), hatten am 17. und 18. Juni während einer Tagung der Sozialistischen Internationale in Lima gemeutert. Bei der Erstürmung der Haftanstalt von Lurigancho durch Polizei und Militär waren 240 Gefangene getötet worden, obwohl sie unbewaffnet waren und sich ergeben hatten. Die Revolte der Gefangenen war - wie spätere Untersuchungen ergaben - durch Nahrungs– und Wasserentzug gezielt provoziert worden. Der Gefängnisdirektor, der vom Plan der Sicherheitskräfte erfahren hatte, hatte vergeblich versucht, den Polizei– und Militäreinheiten den Zugang zum Innern des Gefängnisses zu verwehren. Diese gaben an, auf ausdrücklichen Befehl von oben zu handeln. Präsident Alan Garcia rechtfertigte die militärische Unterdrückung der Meuterei, allerdings zu einem Zeitpunkt, in dem er vermutlich das Ausmaß des Massakers noch nicht überblickte. Auf der Gefängnisinsel El Fronton vor der Hafenstadt Callao, die bis heute militärisches Sperrgebiet ist, waren amtlichen Angaben zu folge über hundert Inhaftierte von Marineinfanteristen erschossen worden. Die genaue Zahl der damals Getöteten blieb jedoch ungewiß. Nach Darstellung der Militärbehörden ist eine Reihe von Gefangenen in den Zellen umgekommen, als diese - aus einer Distanz von 600 bis 700 Metern - mit Granaten beschossen wurden. Überlebende berichteten, daß zahlrei che Gefangene von den Marineinfanteristen der Reihe nach per Genickschuß „hingerichtet“ wurden. Informationen von amnesty international zufolge sind 60 Gefangene aus dem Gefängnis El Fronton stützen sich weitgehend auf einen nicht genannten Marineangehörigen, der im Beisein von ai–Generalsekretär Thomas Hammarberg und Angehörigen Verschwundener diese Aussagen gemacht hat. Razzien in Lima Lima (dpa) - Die peruanische Polizei hat am Dienstag bei mehreren Razzien über 200 Personen festgenommen, nachdem linksextreme Untergrundkämpfer am Vorabend die Botschaft Indiens in Lima angegriffen, insgesamt vier Polizisten erschossen und die Büros von zwei ausländischen Nachrichtenagenturen vorübergehend besetzt hatten. Drei der Beamten starben vor der indischen Botschaft, die wegen des gegenwärtigen Staatsbesuches des peruanischen Präsidenten Alan Garcia in Indien verstärkt von Polizisten geschützt wurde. Die Angreifer, die anschließend in drei Autos flüchteten, schleuderten auch Sprengstoffpakete gegen das Kanzleigebäude, an dem jedoch nur leichter Sachschaden entstand. Wenig später überfielen zwei Guerilla–Kommandos die Büros der britischen Nachrichtenagentur Reuter und der kubanischen Agentur Prensa Latina in Lima. Sie zwangen die Redakteure, einen Aufruf zu schicken, in dem auf die Massaker in den Gefängnissen vor sieben Monaten hingewiesen wird.

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