Widersprüche im Volkszählungsgesetz

■ Bundesdatenschützer Baumann sieht Widersprüche zwischen Volkszählungsgesetz und dem neuen Bundesstatistikgesetz / Baumann legt Bedenken in einem Schreiben an Zimmermann dar / Unsicherheiten über anzuwendende Rechtsvorschriften festgestellt

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - „Unsicherheiten“ über die bei der Volkszählung anzuwendenden Rechtsvorschriften konstatiert der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Dr. Reinhold Baumann, in einem Schreiben vom 14.1.87 an Bundesinnenminister Zimmermann (CSU), das der taz zugespielt wurde. Hintergrund der umfangreichen Bedenken, die Baumann gegenüber Zimmermann anmel dete, ist die inzwischen erfolgte Verabschiedung des neuen Bundestatistikgesetzes (BStatG), das kurz vor Weihnachten den Bundesrat passierte und am 22.1.87 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und damit in Kraft trat. Insgesamt dreißig kritische Fragen listete Baumann in seinem Schreiben an den Bundesinnenminister auf, die aufgrund der inzwischen erfolgten Verabschiedung des neuen Statistikgesetzes geklärt werden müßten, damit die für den Mai geplante Volkszählung „ordnungsgemäß“ über die Bühne gehen könne. Denn die „Grundvorstellung des Gesetzgebers“, daß das Volkszählungsgesetz zusammen mit dem alten Bundesstatistikgesetz von 1980 eine „abgeschlossene Regelung“ für die Volkszählung 1987 darzustellen habe, sei mit der Verabschiedung des neuen Statistikgesetzes aufgehoben worden, heißt es in dem Schreiben. Das in Kraft getretene Gesetz setzt nämlich das alte Bundesstatistikgesetz vom 14.3.80, das die Grundlage für das Volkszählungsgesetz war, außer Kraft. Baumann: „Das (neue) Gesetz enthält eine Vielzahl von Änderungen gegenüber seinem Vorläufer. ... Falls das neue Bundesstatistikgesetz vor der Volkszählung 1987 in Kraft treten sollte, könnten sich daher Unsicherheiten über die bei diesen Erhebungen anzuwendenden Rechtsvorschriften ergeben.“ Für den auskunftspflichtigen Bürger, so Baumann weiter, müsse aber eindeutig erkennbar bleiben, welche konkreten Bestimmungen der Erhebung und Verarbeitung seiner Daten zugrunde gelegt würden. Inhaltlich bittet Baumann den Innenminister vornehmlich um die Klärung der Frage, ob - nach der Verabschiedung des neuen BStatG - dem Recht auf „informationelle Selbstbestimmung der Befragten“ noch Rechnung getragen werde. Zum Beispiel sieht das Volkszählungsgesetz im § 15 (Trennung und Löschung von Daten) noch Ausnahmen von der Forderung nach „unverzüglicher Trennung“ der sogenannten Hilfsmerkmale vor. Fortsetzung Seite 2 Kommentar Seite 4 (Vor– und Familiennamen, Straße, Hausnummer, Name des Arbeitgebers etc.). Das neue Bundesstatistikgesetz dagegen schließt diese Ausnahmen aus. Nach § 12 BStatG sind sämtliche Hilfsdaten - nach Eingang der Erhebungsbögen - unverzüglich zu trennen und nach Abschluß der Überprüfung zu löschen. Unklarheit herrscht auch daüber, ob die Volkszähler nun nach § 16 des neuen BStatG auf ihre Geheimhaltung verpflichtet werden müssen, oder ob noch, wie im Volkszählungsgesetz vorgesehen, der alte § 11 des BStatG zur Anwendung kommt. Selbst was den Umfang der zu übermittelnden Volkszählungsdaten anbelangt, so Baumann weiter, herrsche Verwirrung. Der Bundesdatenschutzbeauftragte konnte z.B. nicht abschließend klären, ob Einzelangaben aus allgemein zugänglichen Quellen, wenn sie sich auf öffentliche Stellen beziehen (u.a. Behörden des Bundes und der Länder sowie Gemeinden und Gemeindeverbände), von der Geheimhaltung ausgenommen sind oder nicht. Verwirrung stiftet auch der § 23 des neuen BStatG, der sich mit den Bußgeldvorschriften beschäftigt. Innenminister Zimmermann muß sich von seinem Daten schutzbeauftragten u.a. fragen lassen, ob denn der Bußgeldtatbestand bereits dann erfüllt sei, wenn die Auskunft nicht in der vorgegebenen Form erteilt werde. Auch die Frage, ob der Bußgeldtatbestand denn tatsächlich eintrete, wenn der zu Zählende nur von der örtlichen Erhebungsstelle eine Frist gesetzt bekommen hat, harrt noch der Klärung durch den Bundesinnenminister. Wie das grüne Mitglied im Innenausschuß des letzten Deutschen Bundestages, Christian Ströbele, gegenüber der taz erklärte, habe der Bundesdatenschutzbeauftragte bereits bei den Beratungen des neuen BStatG im Ausschuß seine Bedenken im Zu sammenhang mit der Volkszählung angemeldet. Daraufhin, so Ströbele, sei die Vorlage in einigen Punkten noch einmal umgearbeitet worden - Mitte Dezember 86. Daß Baumann jetzt - Mitte Januar 87, nach der Verabschiedung des BStatG - erneut umfangreiche Bedenken angemeldet hat, wertete Ströbele als einen Versuch des Datenschutzbeauftragten, die Verantwortung für die diversen Differenzen zwischen BStatG und Volkszählungsgesetz dem Innenminister anzulasten. Ströbele: „Baumann will sich den Rücken freihalten, wenn die Volkszählung erneut in Frage gestellt werden muß.“