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Katastrophe der beruflichen Bildung

■ Bis zum Jahr 2000 eine Million Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung / Problem vertagt

Bremen (taz) - Begriffe machen Politik. Als in den 60er Jahren die „Bildungskatastrophe“ ausgerufen wurde, ging es um die Reform der höheren Bildungsanstalten. Wenn in den 80er Jahren in Bezug auf die berufliche Bildung nicht von „Katastrophe“ gesprochen wird, geht es um die Verdeckung eines politischen Skandals. Seit einigen Monaten schmort in den Archiven der Bund–Länder–Kommission eine 80 Seiten starke Untersuchung, nach der in den kommenden zehn Jahren über eine Million Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung ins Erwerbsleben eintreten müssen, das sind ca. 17 Prozent. Das Modell rechnet hoch, was passiert, wenn nichts passiert in der beruflichen Bildung. In den nächsten zehn Jahren wird gleichzeitig der Anteil an Arbeitsplätzen für Jugendliche ohne Berufsausbildung von derzeit etwa 32 Prozent um ein Drittel auf 20 Prozent zurückgehen, Arbeitsplätze ohne Qualifikationserfordernisse werden durch Rationalisierung als erste beseitigt. Zudem werden Unternehmen angesichts des sich über die Jahre bildenden „Staus“ wählerischer werden können. Die Quote der Arbeitslosen bei den Nichtausgebildeten ist von 5,7 (1978) auf 18,7 Prozent (1984) gestiegen, die Quote bei den Ausgebildeten in derselben Zeit von 2,5 auf ca. 5,5 Prozent. Wer aber 1990 keine Ausbildung bekommt - und das werden nach den derzeitigen Hochrechnungen alleine in diesem Jahr 710.000 Jugendliche sein -, hat eine erhebliche Chance, gar nicht erst „einsteigen“ zu können ins Berufsleben. Strukturelle Fehlausbildung Denen, die eine Ausbildung bekommen, muß es nicht unbedingt viel besser gehen. Denn derzeit kommen auf jeweils fünf Arbeitsplätze von Schneiderinnen und Näherinnen ein Ausbildungsplatz - man müßte den ganzen Berufsstand in wenigen Jahren in Rente schicken, um diesen Ausgebildeten dann einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz freimachen zu können. Die Fehlquoten in der Ausbildungskapazität betreffen vor allem die typischen Frauenberufe: Bei den Fachgehilf/inn/en, bei Steuer– und Wirtschaftsberatern, Apothekenhelferinnen, Friseurinnen und Sprechstundengehilfinnen liegt die Über–Quote ähnlich hoch. Auch bei den Radio– und Fernseh technikern, Kraftfahrzeugmechanikern und vor allem bei den Landmaschinenmechanikern gibt es deutlich mehr Ausbildungsplätze als jährlich frei werdende Arbeitsplätze. Es verwundert so nicht, daß die überbesetzten Ausbildungsberufe auch überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Nach der Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt– und Berufsforschung (IAB), von dem die zitierten Zahlen stammen, finden nur 34 Prozent der Kraftfahrzeugmechaniker, Bäcker und technischen Zeichner und nur 50 Prozent der Friseurinnen und Apothekenhelferinen nach der Ausbildung in ihrem Beruf einen Arbeitsplatz. Die strukturelle Diskrepanz zwischen Ausbildungsberufen und tatsächlicher Arbeitsplatzverteilung nahm in den letzten Jahren nach den Berechnungen der Bund– Länder–Kommission deutlich zu. Selbst für die Absolventen qualifizierender Ausbildung werden in den nächsten Jahren nicht ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Nach den Prognosen der Bund–Länder–Kommission werden jährlich ca. 160.000 zusätzliche qualifizierte Arbeitskräfte hinzukommen, setzt man eine konstante Erwerbsbeteiligung voraus. Sollte sich die Zahl der Frauen, die berufstätig sind, erhöhen, würde diese Zahl noch zu niedrig liegen. Dabei sind derzeit schon ca. eine Million Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung arbeitslos gemeldet. Erst in den letzten Jahren dieses Jahrhunderts wird das hinzukommende Angebot an Fachkräften leicht sinken. Diese Zahlen liegen in der Bund–Länder–Kommission seit März vergangenen Jahres intern vor. Die Kultusministerkonferenz hat ihre Beratungen über die berufliche Bildung auf den kommenden Sommer verschoben. K.W.

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