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Das Waterloo der Drogenpolitik

■ Juristische Mittel statt steriler Spritzbestecke / Therapiemöglichkeiten für Junkies durch Infektion zerstört / Gratisnadeln in Großbritannien

Rita Süssmuth praktiziert eine Doppelmoral. Sex ist ihr als Katholikin Ausdruck ehelicher Liebe und Mittel zur Fortpflanzung. Als Gesundheitsministerin wirbt sie für Präservative und spricht nicht von Treue. Ihr Berliner Kollege Ulf Fink (CDU) ist Protestant. Er bezeichnet es als Akt der Nächstenliebe, drastisch für Gummis zu werben. Die beiden CDU– Gesundheitspolitiker wollen - schnell, sichtbar und pragmatisch - die irre Verbreitungsgeschwindigkeit des HIV–Virus bremsen. Von dem „moralischen Tschernobyl“ (so der englische Kardinal Hume) der Margaret Thatcher könnten sie dazulernen. Zähneknirschend erlaubte kürzlich deren Kabinett, daß an Drogen–Benutzer kostenlos Spritzbestecke verteilt werden. Hierzulande brüstet man sich mit dem dichten Netz von Therapie–und Beratungsangeboten und diskutiert eifrig die juristischen Dimensionen von Verzweiflungstaten. So ermittelt etwa die Staatanwaltschaft in Landau/Pfalz gegen einen namentlich nur seiner Drogenberatung bekannten AIDS–kranken Fixer, der andere Junkies mit verseuchter Nadel anfixte: „Vorsätzliche Körperverletzung“. Identifizieren kann der Staatsanwalt den exotischen Delinquenten auch nur, wenn die Drogenberatung seinen Namen rausrückt. Tut sie das, kann sie gleich schließen. Was der Kardinal ein „moralisches Tschernobyl“ nennt, kann man auch als Waterloo für die bundesdeutsche Drogenpolitik sehen. Funktionierte die bisher nach der Devise: Therapie für alle, und wer nicht will, soll sehen, wo er bleibt, können die Therapeuten heute den Junkies wenig bieten. Gut sechs Prozent aller AIDS–Kranken sind Fixer. Bei dem bekannt hohen Ansteckungsrisiko von unsauberen Spritzbestecken ist abzusehen, wenn kein Süchtiger mehr überhaupt noch eine Therapie machen möchte. Suchtfrei, aber AIDS–krank, das ist nicht gerade eine Perspektive. Dieses neue Dilemma der Drogenpolitik sah der Berliner Drogenbe gegeben. Juristen mit Sinn fürs Abseitige prüfen, ob Gratis–Nadeln nicht als „Beihilfe“ zu Drogendelikten zu werten seien. Und derweil verstreicht die Zeit, in der saubere Nadeln nicht–infizierte Junkies vor der HIV–Infektion bewahren könnten. Die Monetaristin Thatcher war nicht bereit, solche verpaßten Aufklärungs–Chancen mit vielen Krankenhausbetten zu bezahlen. Sie rechnete: nur Nicht– Angesteckten hilft Aufklärung. Mit Nächstenliebe hat das gar nichts zu tun. Mechthild Küpper

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