: Volkstrauertag in Südkorea verhindert
■ Über 70.000 Polizisten landesweit im Einsatz / Tausende von Regimegegnern vorübergehend festgenommen / Straßenschlachten in Seoul, Protest auch in Provinzstädten / Organisationsausschuß für Protestaktionen kündigte neuen Trauertag an / Polizei „barbarisch“
Seoul (ap/dpa) - Mit massivem Einsatz von Tränengas haben am Samstag paramilitärische Polizeieinheiten in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul versucht, Protestaktionen der Opposition gegen den Foltertod des 21jährigen Studenten Park Chong Chol zu verhindern. Gruppen von Demonstranten, die singend und mit geballter Faust durch die Innenstadt zogen, wurden gewaltsam auseinandergetrieben, Geschäfte blieben geschlossen, Bus– und U– Bahnverkehr war eingestellt. Das Gelände um die für den Trauergottesdienst vorgesehene Kathedrale wurde hermetisch abgeriegelt. Allein in der Hauptstadt waren 37.000 Polizisten im Einsatz, landesweit mehr als 70.000. In Seoul gelang es dennoch etwa 400 Priestern und Nonnen, die Trauermesse in der Kathedrale zu halten. Tausende von Demonstranten versammelten sich immer wieder an verschiedenen Stellen Seouls, Flugblätter mit der Aufschrift „Kein Ende der Folter ohne ein Ende der Militärdiktatur“ und „Ich will in einem Land ohne Folter leben“ wurden verteilt. Auch in einigen Provinzstädten kam es zu Protestaktionen. Verschiedentlich kam es zu Straßenschlachten zwischen militanten Studenten, die die Polizei mit Steinen und Molotowcoctails angriffen, und den Paramilitärs. Zusätzlich zu den bereits in den vergangenen Tagen verhafteten und unter Hausarrest gestellten über 2.000 Oppositionellen wurden am Samstag erneut mehrere hundert Menschen festgenommen. Über weiten Teilen der Hauptstadt lagen Schwaden von Tränengas. Oppositionspolitiker Kim Dae Jung bezeichnete das Vergehen von Polizei und Behörden als „barbarisch“. Menschenrechts– und kirchliche Gruppen sowie Anhänger der Oppositionspartei NKDP hatten den Samstag zum nationalen Volkstrauertag erklärt und die Bevölkerung landesweit aufgerufen, Gedenkminuten einzulegen, Trauerflor zu tragen und die Autohupen zu betätigen. Kundgebungen waren verboten worden. Der Organisationsausschuß für die Protestaktionen gab am Samstag zu, daß das Vorhaben aufgrund der Polizeiaktionen gescheitert sei und kündigte an, daß demnächst ein neuer Trauertag stattfinden werde. Solange die Diktatur nicht durch eine demokratische Regierung abgelöst sei, werde auch der Anlaß für die Proteste, die Folter, weiterbestehen.
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