: Für einen Abend Leben in die Innenstädte
■ Koalition für“Dienstleistungsabend“ / Abbau von „Beschäftigungshemmnissen“ für Frauen geplant / Privatisierungskurs wird fortgesetzt
Aus Bonn Oliver Tolmein
Konkrete Ergebnisse konnten die Unionspolitiker Waigel und Geißler und der FDP–Generalsekretär Helmut Haussmann gestern der Presse nur wenige präsentieren. Die Entscheidungen über die Steuerreform, über die Rentenstrukturreform und über weitergehende Maßnahmen zur Senkung der Kosten im gesundheitswesen werden wohl erst am nächsten Mittwoch fallen. Dennoch wertete Helmut Haussmann die Verhandlungen optimistisch: Das Auseinanderbrechen der „Koalition des Niedergangs“ (Geißler) in Hessen habe die eigenen Verhandlungen „beflügelt“: „Es ist schon erstaunlich, daß in vier Stunden alle drei Partner sich in einer zentralen Frage unserer Wirtschaftsordnung, der Fortführung der sozialen Marktwirtschaft, geeinigt haben.“ Geeinigt haben sich FDP und CDU/CSU vor allem auf einen sogenannten Dienstleistungsabend: Einmal in der Woche sollen alle Geschäfte offenbleiben können. „Das dient der Belebung der Innenstädte“, erläuterte Haussmann. Waigel hob eine geplante Verständigung über konkrete Regelungen mit den Tarifparteien hervor.In anderen Fragen ist es lediglich gelungen, die Stoßrichtung der künftigen Wirtschaftspolitik in Übereinstimmung zu bringen. So soll die Konjunktur durch Deregulierung, Subventionsabbau und Fortsetzung der Privatisierungen in Schwung gehalten werden. In der künftigen Sozialpolitik sollen die Lohnnebenkosten „stärker als bisher berücksichtigt werden“(Haussmann). Geplant ist eine Reform des Gesetzes zur Wettbewerbsbeschränkung, um „einen faireren Leistungswettbewerb durch Aufhebung der teilweise leistungswidrigen Regelungen zu erreichen“, wie Theo Waigel erläuterte. Ebenfalls in den gesetzlichen Bereich reicht der von Heiner Geißler angekündigte „Abbau von Beschäftigungshemmnissen für Frauen“ hinein, der notwendig sei, um auf dem durch neue Technologien flexibilisierten Arbeitsmarkt den Rückgang der Frauenerwerbsquote zu verhindern. Geißler sprach auch von einer „Offensive zur Erweiterung des Teilzeitarbeitsmarktes“, die von der Koalition geplant werde. Theo Waigel kündigte eine Überarbeitung des Betriebsverfassungsgesetzes an, damit Minderheiten im Betrieb künftig besser vertreten wären. Es müsse sich allerdings um „qualifizierte Minderheiten“ handeln, damit sich keine „radikalen Splittergruppen in den Betrieben breitmachen“. Ein weiteres von der CSU in die Verhandlungen eingebrachtes Thema war der Ausbau der regionalen Strukturpolitik. Hier scheint noch keine Einigung erzielt worden zu sein. In Bezug auf das bayerische Stahlwerk Maxhütte sprach Waigel lediglich davon, es werde in der Bundespolitik auch weiterhin „berücksichtigt“. Einig geworden ist sich die Koalition auch darüber, daß im Bereich „Post und Fernmeldewesen“ eine Marktöffnung erfolgen soll: zum einen für Anbieter vor allem aus den USA im Bereich Telekommunikation, zum anderen für kleine und mittelständische Betriebe. Die Privatisierung von Bundesfirmen soll insgesamt vorangetrieben werden - konkrete Firmennamen wurden allerdings nicht genannt. Lediglich bezüglich der Lufthansa äußerte sich Theo Waigel: Sie stehe bei Privatisierungsplänen nicht an der Spitze, sondern im hinteren Teil. Allgemein blieben auch die Ausführungen über die Energiepolitik: Heiner Geißler bekräftigte, daß die Koalition an der „friedlichen Nutzung der Kernenergie“ festhalten werde, diese aber nur im Verbund mit der Kohle die Energieversorgung sicherstellen könne.
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