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SPD–Linke kuscht vor Krollmann

■ SPD Hessen–Süd verabschiedet wachsweichen Plutonium–Antrag / Unterstützung für Krollmann

Von K.–P. Klingelschmitt

Sprendlingen (taz) - Der außerordentliche Bezirksparteitag der SPD Hessen–Süd hat am Samstag in Sprendlingen einen Leitantrag verabschiedet, der sich diametral von dem vor dem Koalitionsbruch vom Bezirksvorstand vorgelegten Antrag unterscheidet. Mit dem seit dem Koalitionsbruch laufenden Hessen–Wahlkampf im Nacken entschieden sich die „linken Genossen“ dafür, die vorangekündigte generelle Absage an eine ALKEM–Genehmigung wieder zu kippen. Die „neue Linie“, ausgegeben von Spitzenkandidat Krollmann, gründet auf der Feststellung, daß die Partei zwar den Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft wolle, daß aber diese Position - angesichts des Atomgesetzes - nicht durchsetzbar sei. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Krollmann warf in seiner Grundsatzrede den Grünen, aber auch Teilen seiner eigenen Partei vor, das Gefühl für die Grenzen zwischen dem politischen Willen und dem, was juristisch machbar sei, verloren zu haben: „Eine Landesregierung muß sich allerdings dieser Grenzen bewußt sein. Und die SPD darf sich von den Grünen nicht in einen Wahlkampf um Symbolik drängen lassen.“ Sämtliche sozialdemokratischen Kritiker, die noch in den vergangenen Wochen gefordert hatten, daß es eine wie auch immer geartete Genehmigung für die Plutoniumfabrik ALKEM nicht geben dürfe, gaben ihre bisherige Haltung auf. Heidemarie Wieczorek–Zeul etwa, die vor Anfang Februar noch angekündigt hatte, daß Wirtschaftsminister Ulrich Steger seine Positionen zu „revidie ren“ habe, revidierte sich nun selbst: „Der Wahlkampf hat begonnen. Wir tragen jetzt auch Verantwortung für die Genossen in den anderen Bundesländern. Deshalb hat der Bezirksvorstand einen neuen Antrag mit dem Titel Soziale und ökologische Verantwortung vorgelegt.“ Als einziger exponierter Sozialdemokrat hielt der Atomphysiker Klaus Traube an der Anti– ALKEM–Position fest. Traube erklärte, daß die „Doppelvierer“– Vereinbarungen den Weg zur Nichtgenehmigung von ALKEM aufgezeigt hätten. Doch die Beamten im Wirtschaftsministerium, gegen die die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, hätten mit ihren „Kungeleien“ mit Bonn diesen Weg unbegehbar gemacht. „Es war absolut unnötig, mit Bonn über eine ALKEM–Genehmigung zu verhandeln.“ Stegers angekündigte Genehmigung sei nur dem Anschein nach eine Be schränkung gewesen. Die SPD könne ihre Glaubwürdigkeit nur wiederherstellen, wenn sie jetzt nicht mit dem „Schwamm“ über das Geschehene hinweggehen werde. Doch die Mehrheit der Versammelten wollte von diesem „Schnee von gestern“ - so ein Delegierter - nichts mehr hören. Die SPD, so Landtagsfraktionsführer Welteke, dürfe sich im Wahlkampf von den Grünen nicht das Thema ALKEM und Plutonium aufdrängen lassen. Wiederholt brachte Krollmann die FDP ins Spiel, die sich in Hessen gleichfalls gegen die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente ausgesprochen habe. Krollmann kündigte das „Gespräch mit allen Parteien“ an, falls es für die SPD alleine nicht reichen sollte. Eine Zusammenarbeit mit der CDU halte er jedoch „aus heutiger Sicht für ausgeschlossen“. SPD–Chef Brandt erklärte in einem Interview, er rechne fest mit einer rot–grünen Mehrheit in Hessen. Am Ende stimmte der Parteitag bei nur einer Gegenstimme und drei Enthaltungen nahezu geschlossen für Krollmann. In dem abgestimmten Antrag heißt es, daß das Ergebnis der Bundestagswahl keine politische Mehrheit für den Ausstieg aus der Atomenergienutzung gebracht habe. Die Grünen müssen „ihre unrealistischen, ohne Änderung des Atomrechts widerrechtlichen Forderungen nach kurzfristiger Stillegung aller hessischen Atomanlagen aufgeben.“ In einer ersten Stellungnahme erklärte der grüne Vizepräsident des hessischen Landtages, Messinger, daß es der SPD–Spitze wieder einmal gelungen sei, die unartige Basis zu domestizieren: „Endlich ein klares Jein zur Plutoniumwirtschaft.“ Ditfurth warnte vor einer Neuauflage der rot–grünen Koalition. Die Tolerierung einer SPD–Minderheits regierung wollte sie dagegen nicht ausschließen. Holger Börner dachte bereits eine Woche vor seinem Rücktritt daran, das Handtuch zu werfen. Das berichtete der Spiegel.

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