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Flick–Prozeß: Urteil der milden Sorte

■ Geldstrafen gegen Lambsdorff, Friderichs und Brauchitsch im Bonner Parteispenden–Prozeß / Zusätzlich zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung für Flick–Manager Brauchitsch / FDP: Lambsdorff bleibt ministrabel / CSU–Chef Strauß: Urteil „mehr als fragwürdig“

Berlin (dpa/taz) - Für Martin Bangemann, den FDP–Vorsitzenden, ist die Welt wieder in Ordnung. „Mit großer Zufriedenheit“ habe er das Urteil im Bonner Parteispendenprozeß zur Kenntnis genommen. Der politischen Rehabilitation der Angeklagten Otto Graf Lambsdorff, Hans Friderichs und Eberhard von Brauchitsch steht nun in den Augen der FDP–Führung offenbar nichts mehr entgegen. Das FDP–Präsidiumsmitglied Manfred Brunner hat seinen Parteifreund Lambsdorff denn auch gleich wieder für ministrabel erklärt. Doch zunächst muß Lambsdorff zahlen. Nach dem gestern verhängten Urteil der 7. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts wurden gegen Lambsdorff und Friderichs wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu Geldstrafen in Höhe von 180.000 Mark und 61.500 Mark verhängt, zahlbar in 500 Tagessätzen zu je 360 Mark (Lambsdorff) und 150 Tagessätzen zu je 410 Mark (Friderichs). Den ehemaligen Flick–Manager von Brauchitsch hat es emp findlicher getroffen: Er erhielt zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine Geldstrafe von 550.000 Mark. Alle drei Angeklagten wurden vom Vorwurf der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit freigesprochen. „Der Kammer ist klar, daß hier vieles von den Zeugen zurückgehalten wurde“, meinte der Richter Hans–Henning Buchholz in einer grundsätzlichen Erklärung, bevor er sich den Einzelheiten des Urteilsspruchs zuwandte. Auch von den Angeklagten habe das Gericht sich mehr Aufklärung der Sachlage gewünscht. Das Verfahren sei wegen der beteiligten Personen und der Wirkung im politischen Bereich „in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich“ gewesen. Fortsetzung Seite 2 Gastkommentar von Otto Schily auf Seite 4 Bericht auf der Seite 5 Zu einer Verurteilung wegen Bestechung und Bestechlichkeit sei es deswegen nicht gekommen, weil die 7. Große Strafkammer „keine Unrechtsvereinbarung“ nachweisen konnte. Ein solcher im Gesetz festgelgter Zusammenhang zwischen Zahlung und Gegenleistung sei nicht erkennbar. Bei dieser Frage ging es darum, ob die früheren Wirtschaftsminister Friderichs und Lambsdorff gegen Geld eine Steuerbefreiung für den Flick–Konzern nach dem Verkauf eines milliardenschwerden Daimler–Benz–Aktienpakets verfügt haben. Das Gericht geht laut Richter Buchholz durchaus davon aus, daß Friderichs und Lambsdorff Geld bekommen haben: „Für die Kammer besteht gleichwohl weiterhin ein nicht unerheblicher Verdacht, daß sie Barzahlungen, die in der Anklageschrift aufgeführt sind, bekamen.“ Die Staatsanwaltschaft habe deshalb „zu recht die Bestechungklage erhoben“, meinte Buchholz, nur sei letztlich der Nachweis nicht gelungen. Vielfach habe das Gericht nur die „Wahl zwischen Glauben und Nichtglauben“ gehabt. So sei es überzeugt, daß Eberhard von Brauchitsch sowohl von der schwarzen Kasse des Flick–Konzerns gewußt habe wie auch von der Drei–Millionen–Zusage an die FDP. Der Verdacht allein reiche jedoch nicht aus, um zu einer Verurteilung zu kommen. Die Staatsanwaltschaft hatte für von Brauchitsch vier Jahre Freiheitsstrafe, für Lambsdorff 15 Monate auf Be währung und für Friderichs 120.000 Mark Geldstrafe gefordert. Während die FDP das Bonner Urteil möglichst schnell mit dem Vermerk Kavaliersdelikte zu den Akten legen will, sind die Grünen der Ansicht, der Prozeßausgang sei angesichts der schwerwiegenden Vergehen der Angeklagten viel zu milde ausgefallen. Der Grünen–Pressesprecher Michael Schroeren sieht eine alte Volksweisheit bestätigt: „Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen.“ Das Urteil sei alles andere als eine Rehabilitierung der Angeklagten. Für den früheren Vorsitzenden des Flick–Untersuchungsausschusses stellt sich ein ganz anderes Bild dar. Mit dem Freispruch vom Vorwurf der Bestechlichkeit sei bestätigt worden, daß die An geklagten fünf Jahre lang in „gewissen Medien und parteipolitisch motivierten Kampagnen zu Unrecht der Korruption verdächtigt“ worden seien.

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