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Nicht weißer, nicht schwarzer, sondern grauer Kreis!

■ Der Berliner Branchenkenner und ehemalige Makler Günter Freye stellt für die taz Thesen über die Aufhebung der Mietpreisbindung in der Stadt zur Diskussion

Ein alter Streit kommt erneut in die heiße Diskussionsphase. Befürworter des „Weißen Kreises“ (Aufhebung der Mietpreisbindung) stehen wieder mal den Verteidigern des bestehenden „Schwarzen Kreises“ in Berlin (Beibehaltung der Mietpreisbindung) gegenüber. Gibt es einen vernünftigen Kompromiß zwischen beiden Extremen? Ich meine ja, und möchte eine begründete Antwort geben. Jedoch keine politische Diskussion ohne plakative Sprüche. Deshalb sage ich: Ich bin für den Grauen Kreis, für einen wirtschaftspolitisch begründeten Mittelweg zwischen den beiden extremen Positionen, jedenfalls für eine längere Übergangszeit. Für diejenigen, die mit der Diskussion noch nicht vertraut sind, eine Vorbemerkung: Bei der Frage Weißer oder Schwarzer Kreis geht es nicht um die Sozialbauwohnungen und auch nicht um die steuerbegünstigten und freifi nanzierten Nachkriegswohnungen, sondern um die vor 1949 gebauten Altbauwohnungen, die jedoch etwa 50 Wohnungsbestandes ausmachen. Also für jeden Politiker eine hochbrisante Frage. Untersuchungen belegen, daß sich 90 nach dem Verstand, d.h. wenn die Altbaumieter das Gefühl haben, Weißer Kreis bedeute höhere und Schwarzer Kreis niedrige Mieten, dann kann keine große Partei mitten im Wahlkampf den Weißen Kreis einführen, auch wenn es noch so vernünftig wäre. Positive Auswirkungen des Weißen Kreises für die Mieter dauern einige Zeit. Dieses ins Kalkül ziehend hatte ich im Mai 1980 meinen Parteifreunden (FDP) empfohlen, sich für einen allmählichen Übergang in den Weißen Kreis einzusetzen, schon um den Mietern die nach meiner Überzeugung langfristig unbegründete Angst vor dem Weißen Kreis zu nehmen. Ich bin der Überzeugung, daß sich viele Hauseigentümer nach einigen Jahren Erfahrung mit dem Weißen Kreis nach dem Schwarzen Kreis zurücksehnen. Zu den Argumenten im Einzelnen: Ludwig Erhard hat 1949 alle Preise freigegeben, nur die Mieten noch nicht, weil das Wohnungsangebot 1949 in der Bundesrepublik Deutschland wegen der Kriegsschäden noch viel zu niedrig war. Die Mieten wurden erst viel später, und das mit Einschränkungen des sozialen Mietrechts, in den Wettbewerb entlassen. Es darf an dieser Stelle in Erinnerung gebracht werden, daß Ludwig Erhard die für unser Land so segensreiche Preisfreigabe mit der FDP und gegen den erbitterten Widerstand der damaligen SPD und ihres wirtschaftspolitischen Sprechers Dr. Deist durchgesetzt hat. Es hat 10 Jahre (bis Godesberg) gedauert, bis die SPD die Wettbewerbsordnung als die für uns alle (Produzenten und Verbraucher) bessere Wirtschaftsordnung anerkannt hat. Ich sage das an dieser Stelle natürlich nicht ohne Absicht. Den meisten Befürwortern des Weißen Kreises geht es nicht darum, die Mieter besser zu schröpfen. Sie wollen bei einem durchschnittlich mehr als ausgeglichenen Berliner Wohnungsmarkt über mehr Wettbewerb zu einem gesamtwirtschaftlich bezahlbaren Wohnungsmarkt gelangen. Im System des Schwarzen Kreises zahlt der Mieter eine sich nach genauen Preisermittlungsvorschriften aus der Vergangenheit errechenbare Miete. Falsch berechnete Mieten werden nach jeweils festgelegten Stichtagen rechtsgültig. Teure Subventionen Die Mieten werden also völlig unabhängig vom Zustand des Hauses ermittelt. Erst der jetzige Senat hat eine gewisse Kopplung bei Mieterhöhungen an Instandhaltungsaufwendungen eingeführt. Es fehlt der Qualitätswettbewerb unter den Wohnungsanbietern. Deshalb muß der Senat die Instandhaltung und Instandsetzung der Häuser mit riesigen und steigenden Beträgen subventionieren. Wie schwer die Verwendung solcher Subventionen zu überprüfen ist, dürfte der Bauskandal deutlich gemacht haben. Ein Hauseigentümer, der keine Subventionen bekommt, würde versuchen, mit minimalem Aufwand ein qualitativ optimales Ergebnis zu erzielen. Subventionsmaximierung ist die volkswirtschaftlich teuerste Lösung. Hier liegt ein offensichtlicher Mangel des Schwarzen Kreises, den niemand ernsthaft bestreiten kann. Volkswirtschaftlich noch teurer ist nach meiner Überzeugung die Wohnraumhortung bzw. die Unterbelegung von preisgestoppten Wohnungen, die der Schwarze Kreis verursacht. Was ist darunter zu verstehen? Die meisten von uns haben ein bestimmtes Budget, was sie für die Miete ausgeben wollen bzw. können, z.B. 1.200 DM im Monat. Bekomme ich dafür als Zweipersonenhaushalt eine Fünfzimmerwohnung im Altbau, so werde ich diese nehmen, obwohl ich auch mit einer Dreizimmerwohnung zum selben Preis auskäme. Es ist ja nicht so, daß ich nicht jedem die große und günstige Wohnung gönne. Es ist nur so, daß dieser vieltausendfache überdurchschnittliche Flächenkonsum (laut Gewos sind ca. 120.000 Wohnungen unterbelegt) volkswirtschaftlich in doppelter Hinsicht verheerend ist. Erstens wird dem Wohnungsmarkt Flächenangebot entzogen, was tendenziell auf den Preis drücken würde. (Volkswirtschaftliches Grundgesetz: Angebot und Nachfrage regeln den Preis.) Der Überkonsum an Wohnfläche wegen günstiger Altbaumieten führt entweder dazu, daß andere unterversorgt sind, oder daß der Staat zu horrenden Subventionen zusätzliche Wohnungen bauen muß. Eine 100 qm Sozialwohnung kostet die Stadt ca. 1.800 DM pro Monat, die eigentlich derjenige bekommt, der 100 qm zuviel unter Marktpreis bewohnt. Damit man mich an dieser Stelle nicht falsch versteht, jeder sollte soviel bauen, mieten oder kaufen, wie er zu Marktpreisen bezahlen kann. Überkonsum zu preisgestoppten Mieten ist volkswirtschaftlich teuer und subventioniert diejenigen, die eine übergroße Altbauwohnung haben, und gibt denjenigen, die sie vielleicht noch dringender bräuchten, nämlich den jungen Familien, wenig Chancen. Eine total gerechte Mietenpolitik wird es niemals geben, genausowenig wie eine Mietenpolitik, die niemandem weh tut. Wir brauchen mehr Markt, d.h. mehr Wettbewerb und mehr Verteilungsgerechtigkeit. Berlin: größte Wohnflächen pro Person Der Preis war bisher noch immer der gerechteste Verteilungsmaßstab. Wir müssen einen solchen Wettbewerb für die Berliner Altbauwohnungen über einen längeren Zeitraum sozial noch stärker abfedern als es das soziale Mietrecht bisher vorsieht. Deshalb spreche ich von einem Grauen Kreis. Zwei Vorschläge, wie ein solcher Grauer Kreis aussehen könnte: 1. Übergangszeit wird bis 1995 verlängert, d.h. bis 1995 gilt nur für neu abzuschließende Mietverträge der Weiße Kreis. 2. Ausnahme zu 1. Unterbelegte Wohnungen (unterbelegt = zwei Zimmer mehr als Personen) werden wie vorgesehen am 1.1.1990 in das soziale Mietrecht (Weißer Kreis) entlassen, um das Wohnungsangebot zu aktivieren. In Härtefällen wird die Miete vom Senat subventioniert (alte und kranke Menschen, denen weder eine evtl. erhöhte Miete noch ein Umzug zuzumuten ist). Berlin hat von allen vergleichbaren Großstädten den höchsten durchschnittlichen Wohnungsbestand (ca. 40 qm pro Person), trotzdem ist der Wohnungsmarkt sehr unausgeglichen und ungerecht organisiert. Wegen des Schwarzen Kreises. Eine unveränderte Fortsetzung des Schwarzen Kreises wäre also ein unverantwortlicher Fehler. Es geht nun darum, den Mietern die Angst vor unbezahlbaren Mieten zu nehmen und gleichzeitig die vorhandenen unterbelegten Bestände zu aktivieren. Es ist für die betroffenen Altbaumieter unangenehm, wenn man ihnen Privilegien nimmt, jedoch volkswirtschaftlich unumgänglich und gerecht. Man sollte bei denen, die am lautesten für eine unveränderte Fortsetzung des Schwarzen Kreises plädieren, hier und da leise nachfragen dürfen, ob sie vielleicht zu den besonders privilegierten Altbaumietern des Schwarzen Kreises gehören. Nicht jeder, der vorgibt, für die Interessen der Mieter zu streiten, ist ohne eigene Interessen. Ich verstehe den Einwand, daß Hauseigentümer mit Grundbesitz in guter Lage und in gutem Zustand einen unverdienten Zusatzgewinn einstreichen (Windfall– Profit). Einen Teil davon bekommt der Finanzsenator als Steuern. Ein Teil dürfte in die zukünftig nicht subventionierte Instandsetzung fließen. Einen Teil wird der zukünftig schärfere Wettbewerb wieder zunichte machen. Ein Teil könnte in der Übergangszeit auch dem grundsätzlich veränderungswilligen Mieter zugutekommen, indem er mit seinem Vermieter eine Auszugsprämie aushandelt. Vielleicht sollte man jede mieterhöhungsbedingte Kündigung durch den Mieter mit einer Zahlungspflicht des Vermieters belegen, die etwa dem zweijährigen, vom Vermieter verlangten Erhöhungsbetrag entsprechen könnte, um die Waffengleichheit zwischen Mieter und Vermieter zu verbessern. Damit hätte der Vermieter beispielsweise einen Teil der Umzugskosten zu tragen. Außerdem soll es ihn hindern, ungerechtfertigte Mieterhöhungen zu fordern. Es käme darauf an, dies auch ins soziale Mietrecht zu übernehmen.

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