: P O R T R A I T Enfant terrible des politischen Films
■ Peter Watkins machte sich mit kritischen Beiträgen über die Militarisierung der Gesellschaft einen Namen
1964 erregte der 28jährige Fernsehregisseur Peter Watkins mit seinem BBC–Film „Culloden“ einiges Aufsehen. Mit den Mitteln der Fernsehdokumentation inszenierte er die letzte Schlacht zwischen Schotten und Engländern 1746 in den schottischen Hochmooren von Culloden. Neben der minutiösen Aufschlüsselung eines historischen Krieges als gigantische Massenschlächterei argumentierte Watkins prophetisch–politisch: Der Aufstand der katholisch–royalistischen Hochländer gegen die englische institutionelle Monarchie im Übergang vom Handelskapitalismus zum sich abzeichnenden Industriekapitalismus wird durchaus sympathisierend als letzter verzweifelter Versuch der Auflehnung gegen die zentralistische Anbindung einer bisher weitgehend autonomen Region interpretiert. Den mißtrauisch gewordenen Fernsehbossen der BBC plazte dann ein jahr später der Kragen. 1965 wurde „War Game“ zum Politikum und Skandal. Wieder benutzte Watkins das Mittel einer scheinbar neutralen Dokumentation, um die Folgen eines Atomkrieges in Großbritannien darzustellen. Der Film löste Schock und Entsetzen aus, ließ er doch die ofizielle Heuchelei des Zivilschutzes in einer Flut von Bildern explodieren, die gerade deshalb so eindringlich wirkten, weil sie sich vordergründig objektiv gaben. Gleichzeig war „War Game“ auch ein böser Spiegel der schon damals ausgeprägten politischen Manipulationsmechanismen des Fernsehens. Die BBC sperrte die Ausstrahlung, in den Kinos wurde er zum Renner und zum Liebling, Publikumsmagnet für Friedensbewegte. Nun versucht die Filmindustrie Watkins einzubinden. „Privilage“, vordergründig die Biographie eines Popsängers (in England erreichte die Rockrevolution ihren ersten Höhepunkt) geriet zum bitterbösen Spiegelbild eines rassistischen und faschismusanfälligen Englands. Die ätzende Darstellung der Vermischung von Rebellenattitüde, Musikindustrie und reaktionärer Politik erboste auch die Popfans. Die Spekulation, die sich gerade erst bildende Alternativszene kommerziell auszuschlachten, ging nicht auf. Den kommerziellen Mißerfolg nahm die Industrie zum willkommenen Anlaß, den unbequemen Filmemacher loszuwerden. Watkins wurde zum Kosmopoliten in Sachen Kino. In Schweden drehte er 1969 „Gladiatorenarena“, eine bitterböse schwarze Satire auf das „Gleichgwicht des Schreckens“. In den USA untersuchte er 1970 mit „The Punishment Park“ faschistische Tendenzen der US–Gesellschaft, die erneut in Bildern von Schrecken und diesmal individueller Zerstörung gipfelten. Nach mehrjähriger Pause - mittlerweile galt Watkins als ebenso umstrittener wie bewunderter Protagonist des politischen Kinos - konnte er 1977 in Dänemark „Abendland“ drehen. Mit Mitteln der staatlichen dänischen Filmförderung gedreht, löste der Film einen Skandal aus, war er doch eine ebenso radikale wie intelligente Untersuchung über die militärisch–politische Verstrickung des liberalen Dänemark in die agressive NATO–Strategie. Selten wurde in einem Film der Mythos nationaler Souveränität im Rahmen des „westlichen Bündnisses“ nachhaltiger desavouiert als in diesem Film. Über Fernseharbeiten finanzierte sich Watkins: So entstand ein sehr ruhiger und eindrücklicher Film über den Maler Edward Munch. Als Watkins ab 1980 „The Journey“ plante, stieß er anfangs auf schier unüberwindliche Schwierigkeiten. Weder die Industrie noch offizielle Fernsehanstalten wollten von dem Projekt etwas wissen. Daraufhin setzte Watkins auf engagierte Zuschauer, Friedensgruppen und unabhängige Filminstitutionen. Ein Teil der Kosten wurde über Kartenvorverkauf erbracht, einen anderen Teil finanzierten die schwedische Friedensbewegung, Friedensgruppen und das kanadische und schottische Filminstitut. In Deutschland unterstützten Watkins - auch auf Betreiben des Autors Jansen - das Hamburger Filmebüro, die Hamburger GAL, und auch der Bundeshauptausschuß der Grünen gab einen Zuschuß. Speziell für Hamburg hat sich dieses Engagement gelohnt. Watkins knappe 15 Minuten über das „Unternehmen Gomorrha“, die beinahe vollständige Zerstörung der Stadt durch englische und amerikanische Bomber im Sommer 1943, lassen in ihrer Eindringlichkeit eine zweistündige Fernsehdokumentation des NDR zum 50. Jahrestag der Bombardierung im Sommer 1983 verblassen.
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