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USA plante Libyen–Invasion

■ Weißes Haus und CIA forderten im Sommer 1985 Ägypten zum direkten Angriff Libyens auf / Unterstützung durch US–Luftwaffe zugesichert / Außenministerium und Pentagon lehnten Plan „Flower“ ab

Berlin (wps/taz) - Um ein Haar wäre Ghaddafis Libyen schon im Sommer 1985 einer gemeinsamen Strafaktion von ägyptischen und US–amerikanischen Truppen zum Opfer gefallen, berichtete die US– Tageszeitung Washington Post am Freitag. Der im Weißen Haus ausgeheckte Plan, Ägypten solle die Hälfte Libyens mit Unterstützung der US–Luftwaffe erobern und so Ghaddafi zum Rücktritt zwingen, scheiterte jedoch an dem gemeinsamen Widerstand des State Department und des Pentagon. Auch Ägypten soll sich gegen den „wahnwitzigen“ Plan, so US– Außenminister Shultz, gesperrt haben. Shultz rief nach den Berichten der Washington Post sogar den US–Botschafter in Kairo, Nicholas Veliotes, heimlich nach Washington zurück, damit er die „Verrückten“ im Weißen Haus und in der CIA von der Gefährlichkeit eines solchen Angriffs überzeuge und eine Alternative vorlege. Die „Verrückten“ sind nach Angaben der Washington Post: - der designierte Geheimdienstchef und damalige stellvertretende CIA–Direktor, Robert Gates. Er soll Mitte Juli erklärt haben, ein US–ägyptischer Angriff würde es erlauben, „die Landkarte von Nordafrika neu zu zeichnen“. - der damalige Geheimdienstchef Casey. Er hatte eine Studie über potentielle Angriffsziele in Libyen anfertigen lassen. - Reagans ehemaliger Sicherheitsberater McFarlane und dessen Stellvertreter und späterer Nachfolger Vizeadmiral Poindexter. Sie entwickelten den Plan mit dem Geheimcode „Flower“; danach sollte Ägypten mit US– Hilfe Libyen angreifen und Ghaddafi stürzen. Die Hysterie der amerikanischen Rechten, die im April 1986 zu dem tatsächlichen Bombenangriff auf Libyen, den Fortsetzung auf Seite 6 angeblichen „Hort des Terrorismus“, führte, war im Juni 1985 mit der Entführung einer TWA–Maschine nach Beirut bereits am Siedepunkt angelangt. 39 US–Amerikaner befanden sich 17 Tage lang in den Händen der Geiselnehmer. Daß das Geiseldrama unblutig zu Ende ging, hing maßgeblich von der Intervention des Schiitenführers Berri und Syriens Staatschef Assad ab. Die Rechten sahen ihr Land „mitten in einem unerklärten Krieg“. Die fortlaufenden „Demütigungen“ wie der Bombenanschlag auf das US–Hauptquatier in Beirut Oktober 1983, bei dem 241 Marineinfanteristen starben, sollten gerächt werden. Der Angriffsplan wurde in den Wochen nach der Entführung der TWA–Maschine erstellt. Er reflektiert einen Wandel in der US– amerikanischen Politik gegenüber dem Iran, dessen Regierung sich um die Freilassung der Geiseln bemüht haben soll. Ein Mitarbeiter des US–Sicherheitsrats erinnerte sich gegenüber der Washington Post an eine damals ergangene Order im Weißen Haus: „Khomeini umarmen und Gaddafi zerstören.“ Obwohl sich keine direkte Verbindung zwischen Libyen und den Flugzeugentführern nachweisen ließ, sollen die Vertreter der „hilflosen Großmacht“, so die Washington Post, in der Geiselaffäre einen Wendepunkt ihrer Politik gegenüber „Terroristenförderer“ Gaddafi gesehen haben. Der Gegenvorschlag, den der US–Botschafter auf Befehl von Shultz in Kairo vortragen sollte, beinhaltete das Angebot einer gemeinsamen Reaktion im Falle eines offenen Konflikts mit Libyen und eine engere Zusammenarbeit zwischen Washington und Kairo bei der „Begrenzung“ des libyschen Vorstoßes im Tschad und Sudan. Poindexter soll mit Genehmigung von Reagan nach Kairo gereist sein. Es gelang ihm aber nicht, Mubarak zur Teilnahme an einem Angriff gegen Libyen zu bewegen.

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