„Frauengruppen keine Alternative“

■ Vom Ortsverein zu den Jusos zur Hochschulgruppe - Freundschaften und persönliche Geschichte machen die SPD für viele Frauen zu „ihrer“ Partei / Das Engagement in „Frauenfragen“ entwickelt sich oft spät, dann aber heftig

„Da ist so was wie Heimat. Wo ich seit 14 Jahren bin - das gebe ich doch nicht einfach auf.“ Vera Konieczka, mit 17 Jahren zur Partei gekommen und mittlerweile 31 Jahre alt, versucht zu erklären, warum sie als Feministin in der SPD arbeitet. Mit der Frage „Was hält eine Feministin in der SPD?“ war ich zur Tagung „Sozialistinnen im Spagat?“ gefahren. „Was sind das für Feministinnen - sind sie überhaupt welche oder haben sie nur gute Absichten?“, hatte ich weiter überlegt. „Als ich bei den Jusos anfing, hatte ich mit Frauenpolitik noch nichts am Hut“, erzählt Vera Konieczka weiter - und ist damit typisch für die meisten Frauen, die ich traf. Als sie in den siebziger Jahren an der Uni Münster anfing, Geschichte und Sozialwissenschaften zu studieren, da saß sie schon bald für die Jusos im AStA. Sie war Mitgründerin des Projektbereichs „Frauen“ im Verband deutscher Studentenschaften (VDS). „Da stand dann die Bewegung vor mir“, erklärt sie, warum sie dann begann, sich auf Frauen zu beziehen. „Da haben mehrere Frauen an der Uni Münster gleichzeitig was entdeckt. Wir haben zu Hause auf dem Sofa zusammengesessen und Pläne geschmiedet: Wie erobern wir die Organisation?“ Heute halten sie die Freundschaften und ihre persönliche Tradition. „Die Probleme, wenn ich mit Männern zusammenarbeite, habe ich in jeder anderen Partei auch. Manchmal wundere ich mich, warum ich mit meinen Positionen immer in Organisationen mit Männern bin. Aber Männer haben die Macht, sie verteilen das Geld...“ „Mir macht es Spaß mit den Frauen hier, es ist gut, den Rückhalt, den wir uns gegenseitig geben, zu spüren. Und es macht mir Spaß zu erleben, wie sich die Jusos unter dem Einfluß der Frauen verändern.“ Carola Parniske– Kunz (27), die für die Hochschulgruppen (ehrenamtlich) im Bundesvorstand der Jusos sitzt, geht es ähnlich wie Vera Konieczka. „Ich bin hier groß geworden, habe Kontakte aufgebaut - warum sollte ich da zu den Grünen gehen?“ Zwar seien die frauenpolitischen Entschlüsse der Grünen viel bekannter, während die Veränderungen bei den Jusos in der Öffentlichkeit kaum beachtet werden -, aber die alltägliche Praxis in den beiden Organisationen unterscheide sich nicht. Carola Parniske–Kunz ist „bei Vera groß geworden“. Als sie zu Beginn der achtziger Jahre aus der Provinz (“da hatte ich schon öfter Emma gelesen“) an die Uni Münster kam, hatte sie die feste Absicht, dort „richtig“ Politik zu machen. Von Anfang an wollte sie beides: „Die traditionelle Schiene und Frauensachen“. Zu dieser Zeit suchte Vera Konieczka gerade Frauen für eine „Frauengruppe Geschichte“. „Ich hatte Bammel hinzugehen und Vera hatte Angst, daß sich keine Frauen melden würden.“ Mittlerweile habe Frauenpolitik beim Verband der Jusos einen hohen Stellenwert und würde nicht mehr in Frage gestellt. „In der Praxis vor Ort kann das aber durchaus noch passieren.“ Simone, die an der Uni München Statistik studiert, hat da ihre Erfahrungen. Den Genossinnen und Genossen von der Juso– HSG ist nicht klarzumachen, warum sie bei den Juso–Schulungen Frauenseminare besucht. „Wenn ich sage, dort ist eine bessere Atmosphäre, dann ist das für die kein Argument. In Wirklichkeit mußt Du doch auch vor Frauen und Männern sprechen, haben sie mir gesagt, als ich einen Rhetorik–Kurs nur für Frauen besuchte.“ Für die Münchner Jusos bleiben Frauengruppen „unrealistisch“ - obwohl es sie offensichtlich gibt. Unklar bleiben die Antworten, wenn es darum ging, warum die Frauen den ersten Schritt zur SPD gemacht hatten. Was reizte sie an der Sozialdemokratie? Das war ihnen nicht zu entlocken. Im Gegenteil: Häufig wurde die Distanz zur SPD betont, denn viele Teilnehmerinnen waren zwar Mitglied der Juso– Hochschulgruppen, aber nicht bei der SPD. Aber was, wenn die Frauen dem Juso–Alter entwachsen sind? „Was Du als Frau dann machen kannst, hängt sehr stark von dem jeweiligen Unterbezirk ab“, erklärt Carola Parniske–Kunz. „In Münster habe ich z.B. das Gefühl, daß ich was ändern kann. Wir haben dort schon Mehrheiten verändert, ich kann mich weiter dafür einsetzen, dort was zu verändern.“ Eine reine Frauengruppe wäre für sie niemals eine Alternative. „In Frauengruppen erlebst Du nicht, wo sich bei Männern Widerstand formiert. Aber natürlich brauchen wir den Rückhalt der Frauen untereinander“, so Vera Konieczka. Diese Frauen haben offensichtlich Lust, am Kurs des Tankers SPD (ein bißchen) mitzudrehen. Auch wenn es viel Kraft kostet - in ein kleineres Boot umzusteigen, käme für sie nicht in Frage. Aber schneller dürfte es schon gehen. „Die SPD hinkt hinterher“ - da sind sie sich einig. Ihre Wunsch–SPD? „Heide Pfarr for president!“ Gunhild Schöller